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Aus: Ausgabe vom 17.05.2025, Seite 4 / Inland
Angriff auf Nakba-Gedenken

Die Bühne ist bereitet

Berlin: Gewaltsame Unterdrückung des Nakba-Gedenkens. Androhung weiterer Repression
Von Max Grigutsch
Der gewaltbereite »Schwarze Block« der Berliner Polizei griff die Nakba-Demo am Donnerstag äußerst brutal an

Eskalation mit Ansage: Die Polizei hat in Berlin die Demonstration zum Nakba-Tag angegriffen. Die rund 1.100 Teilnehmer, die die Staatsgewalt gezählt haben will, erinnerten am Donnerstag an die Vertreibung von über 700.000 Palästinensern im Kontext der Staatsgründung Israels im Mai 1948 – vor inzwischen 77 Jahren. Polizeisprecher Florian Nath berichtete am Donnerstag abend auf der Onlineplattform X von »erheblichen Gewalttätigkeiten aus der Menge der Teilnehmenden gegen Polizeibeamte«. Es seien über 50 Demonstranten festgenommen worden, darunter nach jW-Informationen mindestens vier Journalisten. Nach Polizeiangaben sind auch mehrere Teilnehmer verletzt und ins Krankenhaus gebracht worden, konkrete Zahlen wurden nicht genannt. Der Augenzeuge und Journalist Ignacio Rosaslanda sagte am Freitag allerdings gegenüber junge Welt, er habe »noch nie eine so brutale Unterdrückung einer Demonstration gesehen«.

Rosaslanda, der bereits im Rahmen seiner Berichterstattung über die Besetzungen des Instituts für Sozialwissenschaften der Humboldt-Universität Berlin im Mai 2024 und des Emil-Fischer-Hörsaals im April 2025 von Beamten verprügelt und festgesetzt worden war, wurde während der Demo erneut festgenommen. »Es war verdammt lächerlich«, sagte Rosaslanda gegenüber jW. Er sei – klar als Presse gekennzeichnet – zusammen mit drei polnischen Journalisten festgenommen und an seiner Arbeit gehindert worden: »Sie haben mich daran gehindert, das zu dokumentieren. Ich habe die Hälfte der Demonstration verpasst.«

Wie in den vergangenen Jahren hat die Polizei den Demonstrationszug verboten und als Kundgebung auf den Berliner Südstern im Ortsteil Kreuzberg beschränkt. Aufgerufen hatten verschiedene antizionistische und palästinasolidarische Akteure wie der Verein »Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost«, die Bewegung »Palästina spricht« oder die Gruppe »Global South United«. Kurz nach Beginn der Kundgebung fluteten Videoaufnahmen die sozialen Medien – zu sehen sind hochgerüstete Polizisten, die auf Demonstranten einschlagen und einige unter Anwendung von Gewalt festnehmen. Teils schlugen mehrere Beamte auf am Boden liegende Teilnehmer ein.

Dass, wie Polizeisprecher Nath noch am Donnerstag gegenüber dpa verkündet hatte, bei einem Beamten Knochenbrüche an der Hand festgestellt worden seien, wurde seither nicht mehr berichtet. Auch vom Einsatz eines Defibrillators war am Freitag nicht mehr die Rede, doch die Bühne war bereitet für neue Verbotsforderungen und Rufe nach noch stärkerer Repression.

Die Staatsgewalt und ihr mediales Vorfeld inszenierten zu diesem Zweck die prügelnden Polizisten als Opfer vermeintlicher Gewalt von seiten der Demoteilnehmer. Zehn verletzte Beamte hätten sie zu verbuchen, behauptete Sprecher Nath auf X. Ein Polizist sei »in die Menge hineingezogen worden«, wo dann auf ihn »eingetreten« wurde, meinte er zu wissen. Der Verletzte habe einen Armbruch erlitten. Bild titelte am Freitag: »Tritte, immer wieder Tritte: Bangen um den verletzten Polizisten, den Judenhasser niedertrampelten«. Berlins regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) sprach von einem »feigen, brutalen Gewaltakt«, der sich gegen den »Rechtsstaat« und damit gegen »uns alle« richte, und drohte »konsequente« Repression »mit allen Mitteln des Rechtsstaates« an.

Der Lobbyverein Deutsch-Israelische Gesellschaft behauptete, es gebe eine »starke Radikalisierung in diesem Milieu« und eine »verstärkte Gewaltbereitschaft«. Eine versammlungsrechtliche Neubewertung von propalästinensischen Demonstrationen sei nötig. Es handele sich häufig »um reine Israel-Hass-Veranstaltungen und nicht um Demonstrationen für die Rechte und legitimen Anliegen der Palästinenser«.

Mit Blick auf eine weitere Demonstration zum Gedenken an die Nakba, die für diesen Sonnabend in Berlin-Mitte angemeldet ist, forderte der Chef der Berliner »Gewerkschaft der Polizei«, Stephan Weh, die am Donnerstag Festgenommenen »wenigstens ein paar Tage in Gewahrsam« zu lassen, damit sie nicht teilnehmen können.

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