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Aus: Ausgabe vom 16.05.2025, Seite 10 / Feuilleton
Konzert

Prima Pleiteband

Tough und queer: Grandmas House in der Berliner 8MM-Bar
Von Norman Philippen
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»We love money! Say hello to us by giving us your money …« – Grandmas House

Mehr netter Leute Leiber hätten beileibe keinen Platz gehabt in der kleinen 8MM-Bar am Dienstag abend. Auch auf der Bühne nicht, zumal das seit 2018 ursprünglich britisch-deutsche Trio Grandmas House aus Bristol sich vergangenes Jahr zum Quartett auswuchs. Passte aber mehr als passabel, da Polly mit zweiter Gitarre der Band wie des Gigs Klangraum hörbar erweiterte.

Was live gar noch besser klingt als auf Vinyl, sprich auf der jüngst releasten, mit Polly eingespielten dritten EP »Anything For You«. Vorsichtig facettenreicher, weiter, vitaler geriet der Sound mittels zweiter Fender, auch wenn die mal nur Double-Picking-Surf-Riffs auf einer Saite spielt. Auch Yasmin Berndt spielte eine Fender, gegen deren Verzerrung sie auf unverwechselbar kehligkratzige, dabei überraschend erfreulich klar zu vernehmende Weise anröhrte. Was Grandmas House an surfigem Federhall an den Saiten aufsparte, legte Poppy Dodgson hinter dem Schlagzeug doppelt auf ihren Gegengesang, und auch dieser helle vokale Kontrapunkt zum eigenen Wums an den Drums und der Sister-Stimmen hallte ganz klar und steigerte die hypnotische Wackelkopfwirkung der wohl auch raumbedingt eher mittelmäßig wilden Show.

Ein little more action versuchte zum drittletzten der fünfzehn gespielten Songs Yasmin, deren spontanes Mitmischen zwischen den Gedrängten einer schwupps einen Punch durch die Sängerin einbrachte. Versehentlich selbstverständlich. Singt Berndt zwar wie Lemmy Kilmisters legitime Enkelin, erscheint sie sonst aber kaum ein raubeinig-rockig auffälliger Sozialfall, sondern sehr nett zu sein. Bedankte sich auch lieb bei der Berliner Dame, die so gut war, ihr vor Auftritt noch die Hose zu flicken und statt gewollter 7,70 dafür nur 3,30 Euro zu nehmen. Einer so sympathischen Pleiteband sah man die Ansage »We love money! Say hello to us by giving us your money …« gerne nach und reihte sich nach Auftritt gerne in die Schlange zum Merchstand ein, um die Bandkasse zu füllen.

Die ist trotz manch bereits gefeierter Erfolge – etwa als Support der ebenfalls aus Bristol stammenden Idles – seit 2018 nämlich natürlich notorisch klamm. So hat es für drei EPs und einige Singles, bislang aber nicht für die Aufnahme einer LP gereicht. Ob sich das bald ändert, ist allerdings fraglich, tendiert die Releasepraxis doch ohnehin zum EP- und Singleformat. Passt auch besser zu der Band-DIY-Punk-Attitüde, die trotz wachsender Fangemeinde vorerst nicht durch zu viel Fame gefährdet scheint.

Fein wäre, würde das Songrepertoire der toughen Queer-Post-Surf-Punk-Riotgrrrl-Band bald nicht mehr tutto completi in ein 50-Minuten-Set inklusive talk zum rock passen. Hauptsache aber ist, dass die Vier weiter mit der gleichen rauen Intensität und warmen Wut aufspielen wie am Dienstag abend. Auf dass Zeilen wie »I am always happy, you can’t wipe the smile off of my face« weiterhin bloß sardonisch intonierte Ironie bleiben. Dann gucke ich mir Grandmas House auch gerne zur nächsten Runde Berlin wieder an.

Grandmas House: »Anything For You« (Duchess Box)

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