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Aus: Ausgabe vom 16.05.2025, Seite 11 / Feuilleton
Kino

Sex, Lügen und Eifersucht

Steven Soderbergh beginnt sein Spätwerk mit einem leisen Spionagespiel
Von Maximilian Schäffer
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Soll ich dir mal ein Messer in die Hand rammen? Kathryn (Cate Blanchett) und George (Michael Fassbender)

Die Werkzeuge des Spiels befinden sich in einer »Schwarzen Tasche«. In Spionagekreisen gilt sie als Codewort für eine besonders geheime Mission, meist amoralisch oder illegal. Irgendwo muss physisch (oder heutzutage auch digital) eingedrungen werden, um Informationen zu besorgen. In der schwarzen Tasche finden sich Utensilien zum Aufbrechen von Türschlössern, zur Überwachung oder Briefmanipulation. Lauter kleine, feine Instrumente.

Steven Soderberghs (62) neuer Film ist ein Agententhriller im bescheidenen Rahmen. Nicht unbedingt ein Kammerspiel, aber »Black Bag – Doppeltes Spiel« ist von den ausladenden Bond-Dimensionen – wie zuletzt im Kino beispielsweise »The Amateur« oder Soderberghs eigene Blockbuster wie die Ocean’s-Trilogie – weit entfernt. Keine Autoexplosion gibt den Startschuss zur leisen Hetzjagd auf den Verschwörer. Es beginnt in einem schwülen Nachtklub irgendwo in London, voller Oligarchen, Huren, Drogen. Was der eiskalte Gentleman dort will, ist nicht bekannt, aber es wird schon nichts allzu Legales sein. Schließlich arbeitet er für den MI6, Großbritanniens Auslandsgeheimdienst.

Genauso wie seine Frau: Kathryn (Cate Blanchett) und George (Michael Fassbender) sind ein Spionpaar wie Mr. und Mrs. Smith. Engvertraut, getraut und doch zum Misstrauen professionalisiert. Da gibt es ein kleines Problem, das die Beziehung auf die Probe stellt. Ein Informationsleck aus dem innersten Zirkel der Behörde führt George auf fünf mögliche Personen zurück. Eine davon ist Kathryn. Der notorische Nichtlügner und Wahrer dunkelster Verstrickungen muss einen Weg zur inneren Wahrheit finden, der notwendigerweise über Leichen führt.

Soderbergh köchelt die Spannung auf Sparflamme – ein Rezept nach dem Drehbuch von David Koepp. Zum Abendessen sind die vier anderen Verdächtigen geladen, zwei Paare: Clarissa, das IT-Wunderkind (Marisa Abela) und ihr älterer Kollege und Liebhaber Freddie (Tom Burke). Zoe (Naomie Harris), die katholische Hauspsychologin und ihr Lover, der aufstrebende Offizier James (Regé-Jean Page). Alle denken, es handle sich um ein freundliches Weinchentrinken in geselliger Runde. Statt dessen hat George ihnen ein Pülverchen in den Most gemischt. Im Dampf der Drogen beginnen sie alle zu plaudern und verheddern sich immer tiefer in der eigenen klandestinen Schuld und Eifersucht. Natürlich geht es auch um Sex, nicht nur um geheime Cyberwaffen.

Hier sitzen Menschen am Tisch, die es gewohnt sind, sich durch brutale Strategien zu nehmen, was sie wollen. Sie brauchen Action. Sei es im Bett oder im Beruf. Alle gieren sie so hilflos nach Excitement und sind doch voneinander enttäuscht, weil sie am Ende recht unbefriedigend vögeln. So ist das mit dem überfütterten Ego. Da sticht einer dem anderen ein Messer in die Hand und bekommt zur Antwort: »Das ist das Langweiligste, was du je getan hast.« Diese abgenutzten Menschen gehen zur Psychologin, um sich funktional machen zu lassen. Viagra für untenrum, Escitalopram und Zolpidem für obenrum. Eine Ehe, so Soderbergh, ist da immer noch die würdevollere Lösung.

Blanchett und Fassbender spielen die Verheirateten voll leichter Intimität, einer wahren, beneidenswerten Symbiose. Sie beobachten sich beim Ausziehen mit leiser Gier und einem Schmunzeln über die Neurosen des anderen. Er knöpft sich die hautengen Maßhemden auf, lächerlich anmutig wie ein stählerner Ernst Jünger. Sie schwebt demonstrativ weich und fließend ins Nachthemd. Beide mögen sich wirklich, brauchen sich nicht als Sensation, sondern als Ergänzung. In dieser hinterhältigen Realität hält sie zusammen, was die anderen zersetzt: Vertrauen ohne Worte und Adrenalin.

93 Minuten lang wird »Cluedo« gespielt, wobei immer mehr Akteure hinter dem Vorhang verschwinden. Angespannte Dialoge in Aufzügen, Ruderbooten und Restaurants sind hervorragend gesprochen und getaktet. Soderbergh perfektionierte die Inszenierung in zwielichtigen, rostbraunen Räumen zuletzt in der HBO-Miniserie »Full Circle« (2023). Auch hier scheint alles in Hussen gehüllt, die Innenarchitektur wie die Motive und das Begehren der Figuren. Dieses Verschwommene, Unsichtbare, das den Film genauso wie das simmernde Misstrauen trägt, hat bei aller Finesse seinen Anteil daran, dass man ihn schnell wieder vergisst. Ein Regisseur beginnt sein Spätwerk: sanft, routiniert und gekonnt beiläufig.

»Black Bag – Doppeltes Spiel«, Regie: Steven Soderbergh, GB 2025, 93 Min., bereits angelaufen

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