Aus Leserbriefen an die Redaktion

It’s about Netzfrequenzstabilität!
Zu jW vom 3./4.5.: »Atomfans wittern ihre Chance«
Klaro, »volatile« Energieerzeugung ist die Ursache des Netzausfalls, nicht das wackelige, schlecht geplante und schlecht geregelte Netz. Windkraftanlagen haben ebenfalls massebehaftete Rotoren wie die Generatoren in Gas-, Wasser, Kohle- und Kernkraftwerken und wirken auch wie diese stabilisierend. Problematisch bezüglich der Netzfrequenzstabilität (und um die geht es!) ist Photovoltaik, da sind keine beweglichen Teile, die als Energiepuffer dienen können. Da hilft kein mañana, da müssen Puffer her. Ob elektrochemische Speicher, Kondensatoren oder, oder, oder. Ein Netz kann übrigens auch zusammenklappen, wenn (örtlich) zuviel Energie aus ihm entnommen wird. Dass gegen so was ein Kernkraftwerk helfen soll, habe ich noch nicht gehört.
Heinrich Hopfmüller, Stadum
Nicht vergessen
Zu jW vom 26./27.4.: »Auf der schiefen Rennbahn«
»Ja, wo fahren sie denn, ja, fahren sie denn?« Diese Sätze sollen auf den Sketch »Auf der Rennbahn« verweisen. (»Wo laufen sie denn, wo laufen sie denn hin?«) Die Ähnlichkeit ist unverkennbar. Falsch aber ist die Anspielung: »Loriot lässt grüßen!« Denn Loriot hat zwar eine Zeichnung zu diesem Sketch gestaltet. Der Text aber stammt von Wilhelm Bendow. Der sollte nicht in Vergessenheit geraten. (»Rennbahngespräche«, mit Paul Morgan, 1926).
Lothar Zieske, Hamburg
Unbedachter Aktionismus
Zu jW vom 3./4.5.: »Hilfloser Antifaschismus«
Substanzlose aktionistische Politik. Der Feststellung aus dem Hause des Verfassungsschutzes ist nicht zu widersprechen, und man kann den Politikern etablierter Parteien sowie aus der Politik nach Konsequenzen daraus beipflichten. Dennoch muss unbedachter Aktionismus unterbleiben, denn die berechtigte Frage lautet: Warum haben über zehn Millionen Wählerinnen und Wähler zur Bundestagswahl die AfD gewählt, obwohl im Vorfeld der Wahl über den politischen Hintergrund dieser Partei durch Politik und Medien breitgefächert informiert worden ist?
Ein Friedrich Merz hatte gar im Vorfeld die Halbierung des Wählerpotentials versprochen. Der bedenklichen rechtsextremistischen Entwicklung wirksam und nachhaltig zu begegnen, wird allein ein administratives Verbot nicht genügen. Ganz entscheidend ist eine gründliche und ehrliche Analyse der Motivationen für das Zustimmungsverhalten der gesellschaftlich vielschichtigen AfD-Wählerschaft und nicht nur die Fokussierung auf Äußerungen und Verhalten von AfD-Funktionären.
Rechtsextremistische Kräfte profitieren, und das zeigt die Geschichte ganz deutlich, immer von einer verfehlten Politik der Herrschenden und der damit verbundenen Verschlechterung der Lage von Bürgerinnen und Bürgern. Davon waren die letzten 15 Jahre geprägt und erfuhren ihren Höhepunkt im eklatanten Scheitern der Ampelregierung. Mit über einer Billion Euro Schulden und den angekündigten Streichungen im sozialen Bereich will die kommende Regierung wohl den Nährboden für die AfD weiterbestellen und dem mit Verbot begegnen – welch Widersinn. Eine Veröffentlichung der Einstufungsunterlagen des Bundesamtes für Verfassungsschutz wird derzeit durch die geschäftsführende Bundesministerin, Faeser, abgelehnt. Warum?
Raimon Brete, Dietmar Lehmann und Matthias Schwander, Chemnitz
»Fortleben der alten Tradition«
Zu jW vom 30.4.: »Zwiespältige Erinnerungskultur«
Geschichtsbewusstsein ist eben Klassenbewusstsein. Erinnerung und Geschichte werden in Deutschland von denen beansprucht, die in der Tradition von Kapital, Militarismus, Krieg, Faschismus und der bürgerlichen Politik stehen. Ist das nur zwieschlächtige Erinnerungskultur oder eher verlogen, heuchlerisch? Raimon Brete hat in seinem Leserbrief das »gewollte Vergessen« betont, das Fortleben der alten Tradition in der BRD. Über Jahrzehnte wurde im westdeutschen »Rechtsstaat« alle Schuld auf wenige oder den einen übertragen – und sich gegen sogenannten Schuldkult gewehrt.
Es ist nicht verwunderlich, dass eine Mehrheit der westdeutschen Bevölkerung einen Schlussstrich unter die Nazizeit ziehen möchte. Umfragen über Geschichtswissen in der BRD haben zu jeder Zeit die große Unkenntnis der jungen Generation, peinlichste Bildungslücken zu deutscher Vergangenheit offengelegt. Generationen in den alten Bundesländern wissen ebenso wenig bis nichts über die schwere antifaschistische Arbeit im Osten, über die Erinnerungskultur des Antifaschismus der DDR. Bis heute wissen die wenigsten im westlichen Teil Deutschlands, welche Menschen – mit welchen Biographien und Leiden in faschistischen Zuchthäusern und KZ – die Geschicke des Staates in die Hand nahmen oder der Jugend Vorbilder sein konnten.
Es sind im vereinten Deutschland die Kräfte von Kapital, Militarismus und Revanchismus, die sich seit Jahrzehnten begierig, verlogen, heuchlerisch, verbrecherisch ihrer »Erinnerungskultur« über die DDR ganz anders widmen. Es hat eine tiefe Logik und Dialektik, wenn dieses gemeinsame Deutschland heute erneut die unrühmlichste Rolle in der Weltpolitik spielt, auf einen dritten Weltkrieg bewusst hinsteuert, die Bevölkerung dafür zu gewinnen sucht. »Der Schoß ist fruchtbar noch«, schrieb Brecht. Er wurde immer fruchtbar gehalten und gelangt zu voller Blüte.
Roland Winkler, Aue
Entscheidend ist eine gründliche Analyse der Motivationen für das Zustimmungsverhalten der gesellschaftlich vielschichtigen AfD-Wählerschaft und nicht nur die Fokussierung auf Äußerungen und Verhalten von Funktionären.
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