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Aus: Ausgabe vom 03.05.2025, Seite 8 / Ansichten

Hilfloser Antifaschismus

Verfassungsschutz und AfD
Von Nick Brauns
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Untergräbt die Demokratie, die er zu schützen vorgibt: Inlandsgeheimdienst mit täuschendem Namen

Der Inlandsgeheimdienst stuft die AfD nunmehr als »gesichert rechtsextremistisch« ein. Das verkündete die kommissarische Innenministerin Nancy Faeser, kurz nachdem Umfragen die stärkste Oppositionspartei gleichauf mit der Union sahen.

Eine »die Menschenwürde missachtende extremistische Prägung« macht der Verfassungsschutz dabei nicht an ihrem sozialdarwinistischen, marktradikalen und arbeiterfeindlichen Programm fest, sondern am »in der Partei vorherrschenden ethnisch-abstammungsmäßigen Volksverständnis«. Der CDU-Vorsitzende und zukünftige Bundeskanzler Friedrich Merz hat mit seinen auf die Stimmen der AfD setzenden Anträgen bewiesen, dass er gerade in Sachen rassistischer Migrationsabwehr zur Kooperation mit den Faschisten bereit ist. Schließlich ist die AfD Fleisch vom Fleische der bürgerlichen Parteien. Allerdings erweist sie sich aus deren Sicht als außenpolitisch unzuverlässig, da sie den NATO-Stellvertreterkrieg gegen Russland in der Ukraine nicht mittragen will. Mit der Klassifizierung durch den Geheimdienst sowie der dadurch ermöglichten Einschleusung von Agenten soll die Partei nicht bekämpft, sondern steuer- und berechenbar gemacht werden. Denn geschichtliche Erfahrung lehrt, dass führende Kapitalkreise die Faschisten auf der Reservebank behalten wollen – als rechte Mehrheitsbeschaffer und als Rammbock gegen Links.

Ab jetzt dürfe es keinen Zweifel mehr daran geben, dass die AfD als gesichert rechtsextremistische Partei »die größte Gefahr für unsere Demokratie und unser Land ist«, tönt die Linke-Fraktionsvorsitzende Heidi Reichinnek, als bedürfe es der Einschätzung eines Dienstes, dessen Landesbehörden immer noch einzelne Gliederungen der Linkspartei als »linksextremistisch« beobachten. In der Linkspartei und in jenem Milieu, dass sich als »demokratische Zivilgesellschaft« (miss-)versteht, scheint vergessen zu sein, wie tief der Verfassungsschutz selbst unter den Faschisten verwurzelt ist. Es sei daran erinnert, wie das Bundesverfassungsgericht die von Agenten durchsetzte NPD wegen »fehlender Staatsferne« nicht verbieten wollte und der Geheimdienst seine schützende Hand über die mörderische NSU-Bande hielt.

Nun gelte es, »jedes Mittel unserer wehrhaften Demokratie zu nutzen, um sie zu schützen«, fordert Reichinnek die Einleitung eines AfD-Verbotsverfahrens. Einem Beitrag auf der Website der Rosa-Luxemburg-Stiftung ist zu entnehmen, dass entsprechende Mittel in der Geschichte der BRD »nicht vorwiegend gegen Neo- und Altnazis angewandt« wurden, »vielmehr richteten sich die staatlichen Repressionen im Namen der wehrhaften Demokratie in der Regel gegen Kommunisten und Linke«. Ein Antifaschismus, der auf ein solches obrigkeitsstaatliches Instrumentarium anstelle des politischen Kampfes von unten setzt, ist nicht nur hilflos. Er legitimiert damit genau die antidemokratischen Tendenzen im Staat, die er in Gestalt der AfD zu bekämpfen meint.

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