Hilfloser Antifaschismus
Von Nick Brauns
Der Inlandsgeheimdienst stuft die AfD nunmehr als »gesichert rechtsextremistisch« ein. Das verkündete die kommissarische Innenministerin Nancy Faeser, kurz nachdem Umfragen die stärkste Oppositionspartei gleichauf mit der Union sahen.
Eine »die Menschenwürde missachtende extremistische Prägung« macht der Verfassungsschutz dabei nicht an ihrem sozialdarwinistischen, marktradikalen und arbeiterfeindlichen Programm fest, sondern am »in der Partei vorherrschenden ethnisch-abstammungsmäßigen Volksverständnis«. Der CDU-Vorsitzende und zukünftige Bundeskanzler Friedrich Merz hat mit seinen auf die Stimmen der AfD setzenden Anträgen bewiesen, dass er gerade in Sachen rassistischer Migrationsabwehr zur Kooperation mit den Faschisten bereit ist. Schließlich ist die AfD Fleisch vom Fleische der bürgerlichen Parteien. Allerdings erweist sie sich aus deren Sicht als außenpolitisch unzuverlässig, da sie den NATO-Stellvertreterkrieg gegen Russland in der Ukraine nicht mittragen will. Mit der Klassifizierung durch den Geheimdienst sowie der dadurch ermöglichten Einschleusung von Agenten soll die Partei nicht bekämpft, sondern steuer- und berechenbar gemacht werden. Denn geschichtliche Erfahrung lehrt, dass führende Kapitalkreise die Faschisten auf der Reservebank behalten wollen – als rechte Mehrheitsbeschaffer und als Rammbock gegen Links.
Ab jetzt dürfe es keinen Zweifel mehr daran geben, dass die AfD als gesichert rechtsextremistische Partei »die größte Gefahr für unsere Demokratie und unser Land ist«, tönt die Linke-Fraktionsvorsitzende Heidi Reichinnek, als bedürfe es der Einschätzung eines Dienstes, dessen Landesbehörden immer noch einzelne Gliederungen der Linkspartei als »linksextremistisch« beobachten. In der Linkspartei und in jenem Milieu, dass sich als »demokratische Zivilgesellschaft« (miss-)versteht, scheint vergessen zu sein, wie tief der Verfassungsschutz selbst unter den Faschisten verwurzelt ist. Es sei daran erinnert, wie das Bundesverfassungsgericht die von Agenten durchsetzte NPD wegen »fehlender Staatsferne« nicht verbieten wollte und der Geheimdienst seine schützende Hand über die mörderische NSU-Bande hielt.
Nun gelte es, »jedes Mittel unserer wehrhaften Demokratie zu nutzen, um sie zu schützen«, fordert Reichinnek die Einleitung eines AfD-Verbotsverfahrens. Einem Beitrag auf der Website der Rosa-Luxemburg-Stiftung ist zu entnehmen, dass entsprechende Mittel in der Geschichte der BRD »nicht vorwiegend gegen Neo- und Altnazis angewandt« wurden, »vielmehr richteten sich die staatlichen Repressionen im Namen der wehrhaften Demokratie in der Regel gegen Kommunisten und Linke«. Ein Antifaschismus, der auf ein solches obrigkeitsstaatliches Instrumentarium anstelle des politischen Kampfes von unten setzt, ist nicht nur hilflos. Er legitimiert damit genau die antidemokratischen Tendenzen im Staat, die er in Gestalt der AfD zu bekämpfen meint.
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Raimon B. aus Chemnitz (4. Mai 2025 um 17:43 Uhr)Substanzlose aktionistische Politik. Der Feststellung aus dem Hause des Verfassungsschutzes ist nicht zu widersprechen und man kann den Politikern etablierter Parteien sowie aus der Politik nach Konsequenzen daraus beipflichten. Dennoch muss unbedachter Aktionismus unterbleiben, denn die berechtigte Frage lautet: Warum haben über 10 Millionen Wählerinnen und Wähler zur Bundestagswahl die AfD gewählt, obwohl im Vorfeld der Wahl über den politischen Hintergrund dieser Partei durch Politik und Medien breit gefächert informiert worden ist? Ein Friedrich Merz hatte gar im Vorfeld die Halbierung des Wählerpotenzials versprochen. Der bedenklichen rechtsextremistischen Entwicklung wirksam und nachhaltig zu begegnen, wird allein ein administratives Verbot nicht genügen. Ganz entscheidend ist eine gründliche und ehrliche Analyse der Motivationen über das Zustimmungsverhalten der gesellschaftlich vielschichtigen AfD-Wählerschaft und nicht nur die Fokussierung auf Äußerungen und Verhalten von AfD-Funktionären. Rechtsextremistische Kräfte profitieren, und das zeigt die Geschichte ganz deutlich, immer von einer verfehlten Politik der Herrschenden und der damit verbundenen Verschlechterung der Lage von Bürgerinnen und Bürgern. Davon waren die letzten 15 Jahre geprägt und erfuhren ihren Höhepunkt im eklatanten Scheitern der Ampelregierung. Mit über einer Billion Euro Schulden und den angekündigten Streichungen im sozialen Bereich will die kommende Regierung wohl den Nährboden für die AfD weiter bestellen und dem mit Verbot begegnen – welch Widersinn. Eine Veröffentlichung der Einstufungsunterlagen des Bundesamtes für Verfassungsschutz wird derzeit durch die geschäftsführende Bundesministerin, Faeser, abgelehnt. Warum? Raimon Brete, Dietmar Lehmann und Matthias Schwander
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Leserbrief von Bernd Jacoby aus Wiesbaden (4. Mai 2025 um 12:33 Uhr)Nach dem auf der Rüstungs-Skala nach oben offenen 1.000-Milliarden–Kriegskredit ist der politisch gewollte und gesteuerte Auftritt des deutschen Inlandsgeheimdienstes »Verfassungsschutz« zur Einstufung der AfD als gesichert rechtsextremistische Partei der zweite große politische Coup der deutschen Kriegsblockparteien SPD, CDU/CSU und Grüne, zu denen sich Die Linke gesellt. Deutschland ist seit längerer Zeit daran gewöhnt, dass dieser Geheimdienst durch seine »Öffentlichkeitsarbeit« bei der politischen Willensbildung mitwirkt und auf diese aktiv einwirkt – natürlich im parlamentarisch/ministeriellen Auftrag und kaschiert als »Prävention«. Eine Brandmarkung einer Partei als »extremistisch« hat unmittelbare und vielfältige politische Auswirkungen und bescheinigt den »nichtextremistischen« Mitte-Parteien diesseits der Brandmauer quasi staatlich-behördlich-hoheitlich, dass sie nicht Ursache und Quelle der Rechtsentwicklung sind. Doch die AfD gedeiht und blüht dabei! »Wir haben aus unserer Geschichte gelernt, dass Rechtsextremismus gestoppt werden muss« sagt das Auswärtige Amt. Lehrt nicht gerade deutsche Geschichte, dass ungezügelte Aufrüstung, Militarisierung und Ausrichtung auf Kriegstüchtigkeit mit dem Drang nach Osten, gegen Russland, und mit dem Anspruch europäischer politischer Führungsmacht nach West und Ost Kernbestandteile und Quelle rechtskonservativer, nationalistischer Politik in Deutschland sind? Ist das nicht die größte Gefahr im Lande? Mit dem politischen Druck der Verbotsandrohung soll die AfD geschmeidig und gefügig gemacht werden, Opposition nach dem Bilde und den Absichten der Regierung Merz und Klingbeil zu werden – im Zweifelsfall aber auch eine Reserve für eine nationalkonservative und stabil bei 50 Prozent liegende Regierungsbildung. Die AfD will in eine Regierung mit der Union! Man wird das anerkennen, ggf. wahrnehmen, sobald die AfD Russen und Chinesen als »Ausländerfeinde« erklärt, sprich natürlich: deren Staaten Russland und China.
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Christoph H. (3. Mai 2025 um 07:06 Uhr)Jahrzehntelang hatten es sich die zentristischen Funktionäre an den Schalthebeln des Überbaus gemütlich gemacht. Damit der Kapitalismus wieder ins Laufen kommt, hatten sie ihm mehr Leine gelassen, liberal wie sie sind. Jetzt stehen sie fassungslos und händeringend vor der Zerrüttung, die ihr Treiben in der Gesellschaft und in den Köpfen der Individuen angerichtet hat und wollen den Schlamassel wegverbieten. Nicht sehr liberal – und auch nicht sehr erfolgversprechend.
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