Atomfans wittern ihre Chance
Von Frederic Schnatterer, Madrid
Während die linke Opposition die privaten Netzbetreiber für den »größten Blackout in der Geschichte Spaniens« verantwortlich macht, wittert die Rechte die Chance, die Atomenergie wieder salonfähig zu machen. So nutzte der Chef der postfranquistischen Volkspartei (PP) den stundenlangen Stromausfall zu einem Frontalangriff auf das Krisenmanagement der sozialdemokratischen Regierung um Ministerpräsident Pedro Sánchez. Der erklärte, diejenigen, die den Blackout mit dem Fehlen von Atomkraft in Verbindung brächten, »sind entweder Lügner oder bringen ihre Unwissenheit zum Ausdruck«.
Am Dienstag erklärte der PP-Chef Alberto Núñez Feijoo: »Kein vernünftiges Land würde daran denken, das abzuschalten, was funktioniert, diese permanente Stromversorgung, die die Kernenergie garantiert. Wenn die Regierung nach den gestrigen Ereignissen nicht nachbessert und die Laufzeit der Kernkraftwerke nicht verlängert, stehen wir vor einem absoluten Desaster.« Bereits zuvor hatte der Oppositionsführer gegenüber dem Sender Esradio erklärt: »Wir haben viel erneuerbare Energie, und das ist gut, aber sie schwankt.« Das spanische System der Energieversorgung sei »enorm ideologisch aufgeladen«.
Hintergrund sind Berichte darüber, dass das Stromnetz zusammengebrochen sei, da es in den Sekunden vor dem Blackout übermäßig von der Erzeugung von Energie aus regenerativen Ressourcen, insbesondere mittels Solarpaneelen, abhängig gewesen sei. Wie die rechte Tageszeitung La Razón rekonstruiert haben will, drosselten die gasbefeuerten Kombikraftwerke ihre Leistung, um Platz für die in großen Mengen ins System gespeiste Solarenergie zu machen. Die Folge sei ein Abfall der Spannung und entsprechend der Stabilität im Stromnetz gewesen, da Solarenergie – anders als bei mit Wärme betriebenen Kraftwerken, in denen Turbinen in ihrer Drehung Energie speichern – keinen Puffer biete, wenn es zu Schwankungen im Netz kommt. Letztlich habe das zur Abschaltung der Energiequellen geführt.
Spanien verfügt über sieben Kernreaktoren, von denen vor dem Blackout drei abgeschaltet waren. Zuletzt machte Strom aus erneuerbaren Quellen bereits zwei Drittel der erzeugten Mengen aus, vor allem Wind- und Solarenergie, gefolgt von Wasserkraft. 2019 hatte die spanische Regierung den schrittweisen Ausstieg aus der Nutzung der Atomenergie beschlossen. Er soll im November 2027 mit der Abschaltung des Reaktors in Almaraz beginnen und 2035 abgeschlossen sein.
Zuletzt hatten sowohl die PP als auch die Rechtsaußen von Vox ihre Anstrengungen verstärkt, den Ausstieg aus der vermeintlich »grünen« Atomenergie rückgängig zu machen. Auch die katalanischen Unabhängigkeitsbefürworter von Junts schlossen sich der Forderung an. Ihnen geht es insbesondere um die Energiesicherheit Kataloniens, wo der Ausbau der Nutzung erneuerbarer Energieträger im Vergleich zu anderen Regionen Spaniens stark hinterherhinkt.
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