Aus Leserbriefen an die Redaktion

Aufklärung und Ironie
Zu jW vom 30.4.: »Entlarven, ohne zu mystifizieren«
Zunächst einmal vielen Dank für diesen erhellenden Artikel! Ich habe den Film »Der gewöhnliche Faschismus« einige Male gesehen, ihn einmal, im Jahr 2000, auch in einem Geschichtsleistungskurs gezeigt. Mich, aber auch den Kurs, hat damals die Gegenüberstellung der »heilen Welt« des real existierenden Sozialismus mit dem Faschismus gestört – mich nur am Rande, den Kurs sehr viel stärker. Überrascht war ich nachträglich, als ich aus dem Artikel Einzelheiten über die politischen Probleme erfuhr, mit denen Michail Romm sich auseinandersetzen musste. Im Vordergrund hatte für mich die aufklärerische Qualität des Films gestanden, die Gerhard Hanloser gut herausarbeitet (»Entlarven, ohne zu mystifizieren«), und die mich nicht zuletzt durch ihre dosiert eingesetzte Ironie begeisterte. Der Kurs, multinational zusammengesetzt, fand dagegen zu meinem Erstaunen die Ironie weitgehend unangemessen. Das gab mir die Gelegenheit, den Inhalt des Films als überaus ernsthaft darzustellen. Dass mir das gelungen ist, kann ich nicht mit Sicherheit behaupten. Eine Alternative zu den üblichen NS-Filmen der Landesbildstelle war der Film auf jeden Fall.
Lothar Zieske, Hamburg
Rechte Verwurzelung
Zu jW vom 30.4.: »Zwiespältige Erinnerungskultur«
Die Ursachen des gewollten Vergessens und des Rechtsrucks in der Bundesrepublik Deutschland werden bewusst verschleiert oder ausgeblendet. Nach den Kriegsverbrecherprozessen oder schon mit ihnen begann eine zweigeteilte Entwicklung in Deutschland. Im Osten wurde einer antifaschistischen Ordnung nicht nur Leben eingehaucht, sondern die Entnazifizierung in der Gesellschaft u. a. durch Antifaschisten und Kämpfer gegen den Faschismus in Verwaltung, Justiz und Polizei sowie Neulehrer vorangetrieben. In den drei Westzonen und später in der BRD wurden mehrheitlich die alten Beamten im staatlichen Machtapparat übernommen. Exemplarisch die Weiterbeschäftigung von Globke als Staatssekretär, Filbinger als Ministerpräsident, Gehlen als Chef des neuen Geheimdienstes, Heusinger als Generalinspekteur der Bundeswehr, Buback als Generalbundesanwalt, Schleyer als Arbeitgeberpräsident. Kasernen der Bundeswehr und Straßen sowie Plätze tragen oder trugen Namen von nazistischen Parteigängern oder Offizieren/Generälen, z. B. von Manteuffel, Moeller, Freiherr von Fritsch, Rommel, Lent, Marseille, Lilienthal. Als das Grundgesetz für die Bundesrepublik vorbereitet wurde, erklärte einer seiner Väter, »alle deutschen Gebiete außerhalb der Bundesrepublik sind als Irrendes anzusehen«, also als Territorium unter fremder Herrschaft, »deren Heimholung mit allen Mitteln zu betreiben« wäre (Nachzulesen im Protokoll der Sitzung der Unterausschüsse des Verfassungskonvents). Wer sich diesem Diktum nicht unterwerfe, hieß es weiter, sei »als Hochverräter zu behandeln und zu verfolgen«. Wehrmachtsdeserteure wurden in der BRD als Vaterlandsverräter behandelt, während Funktionsträger Hitlers sowie ehemalige SS-Angehörige und Kollaborateure Ehrenrenten bekamen und kommunistische Antifaschisten mit Berufsverboten belegt wurden. Der ersten Bundesregierung unter Konrad Adenauer gehörten mehrere Mitglieder der NSDAP an. Wen wundern da noch die erschreckenden Ergebnisse der Studie.
Raimon Brete, Chemnitz
»Keine Partei, sondern Bewegung«
Zu jW vom 30.4.: »Großmütter auf NATO-Linie«
Es ist leider in politischen Bewegungen oft so, dass die Ansichten, auf welchem Wege ein Ziel zu erreichen sei, irgendwann auseinandergehen. Das war bei den Omas gegen rechts auch nicht anders. So gibt es seit 2018 die »Omas gegen rechts Deutschland-Bündnis« und die »Omas gegen rechts Deutschland.org«. Zu letzteren gehören die omasgegenrechts.berlin, die auf ihrer Website ihre Position zum Thema Ostermarsch/»Asow« klargestellt haben (https://omasgegenrechts.berlin/2025/04/27/wir-stellen-klar/). Die Omas werden immer wieder an Punkte geraten, wo ein Konsens nicht möglich ist. Sie sind keine Partei, sondern eine Bewegung voneinander unabhängig agierender Gruppen und müssen das diskutieren und Dissens am Ende auch aushalten. Übel ist, dass sowohl Titel und Inhalt Ihres Artikels die alte Annahme verstärken, dass ältere Frauen sich gefälligst nicht in die Politik einzumischen haben. Aber das macht uns aus, und wir werden uns weiter einmischen, gegen Rechtsextremismus, für Demokratie und Menschenrechte. Ob Zustimmung von Herrn Steinmeier oder Kritik von der jungen Welt ist uns dabei herzlich egal. Dies ist meine persönliche Meinung und keine »offizielle« Stellungnahme. (Übrigens: nach der »Kleinen Anfrage« der CDU im Februar ist vielfach klargestellt worden, dass von einer staatlichen Finanzierung der Omas gegen rechts nicht die Rede sein kann. Sich darauf noch zu beziehen, ist billig.)
Birgit Heller, Berlin
»Organisationstalent«
Zu jW vom 2.5.: »›Er ist auch mit kapitalistischen Staaten möglich‹«
»Pro 25 Teilnehmer darf eine russische bzw. sowjetische Fahne gezeigt werden.« Bei Zuteilungen für Russen zeigte Deutschland schon immer Ordnungssinn und Organisationstalent. Aber wenn wir schon auf diese Weise an den Zweiten Weltkrieg erinnern, würde ich vorschlagen, nur für 125 Teilnehmer eine Fahne zuzulassen. 125 Gramm betrug nämlich die Brotration eines Rentners bei der Blockade Leningrads (geschätzt eine Million Tote, davon circa 90 Prozent wegen Hungers).
Fred Butkewitz, Ulan-Ude (Russland)
Eine Alternative zu den üblichen NS-Filmen der Landesbildstelle ist der Film »Der gewöhnliche Faschismus« auf jeden Fall.
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