Demo für PCK-Raffinerie
Von Knut Mellenthin
Bis zu 2.000 Menschen haben am Mittwoch in der Oderstadt Schwedt an einer Kundgebung für die »Rettung« der dortigen PCK-Raffinerie teilgenommen. In erster Linie bot die Veranstaltung dem Ministerpräsidenten des Landes Brandenburg, Dietmar Woidke (SPD), eine Plattform, seine Wünsche an die seit Dienstag amtierende neue Bundesregierung unter Friedrich Merz (CDU) vorzutragen. Das reichte von »Wir brauchen dringend mehr Rohöl« bis zu »ganz klaren diplomatischen Initiativen« für einen »gerechten Frieden« in der Ukraine, der es der PCK Raffinerie GmbH ermöglichen würde, wieder sanktionsfrei mit Erdöl aus Russland zu arbeiten.
Das war Woidke wohl seinem Koalitionspartner, dem BSW, schuldig. Aber was ist praktisch gemeint? Gegenüber dem Landessender RBB drückte sich der Ministerpräsident deutlicher aus: Er wolle, »dass die Bundesregierung sich intensiv dafür einsetzt, dass dieser unsägliche Krieg, dem die Ukraine nach wie vor durch den Aggressor Russland ausgesetzt ist, bald endet«. Tatsächlich finden, vermittelt durch die US-Regierung, Verhandlungen statt, die sich schwierig gestalten. Dass diese erleichtert würden, wenn sich Deutschland mit seiner einseitigen Parteinahme einmischen dürfte, kann man ausschließen.
Interessanter war Woidkes Aufforderung an die Bundesregierung, sie solle »bisherige Zusagen zur Förderung der Investition in die Raffinerie und die Wirtschaft in Schwedt umsetzen«. Darüber hätte man gern Konkretes gehört. Klar war auf jeden Fall die Aussage, die derzeitige Auslastung der Anlagen mit nur 80 Prozent der Kapazität sei auf die Dauer nicht ausreichend. Der Staatssekretär Michael Kellner aus dem von Robert Habeck geleiteten Wirtschaftsministerium – beide Mitglieder der Partei Bündnis 90/Die Grünen – hatte standhaft das Gegenteil vorzutäuschen versucht. Dass diese Ära abgeschlossen ist, muss man nicht bedauern. Woidke kündigte am Mittwoch an, er habe die neue Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) zu einem Antrittsbesuch nach Schwedt eingeladen.
Vor einigen Tagen war bekanntgeworden, dass Brandenburgs Landesamt für Umwelt der PCK eine Ausnahmegenehmigung erteilt hat, die zulässigen Höchstwerte für den Ausstoß von gesundheitsschädlichem Schwefeldioxid zu überschreiten. Das Problem ist dadurch entstanden, dass die Raffinerie auf Weisung der Bundesregierung seit dem 1. Januar 2023 kein Erdöl aus Russland mehr verarbeiten darf, sondern mit – nach eigenen Angaben – rund 20 alternativen Erdölsorten umgehen muss, bei deren Verbrennung mehr Schadstoffe freigesetzt werden. Das war erwartungsgemäß kein Thema bei der Kundgebung: Man ist froh, einen möglichst hohen Versorgungsgrad der Raffinerie mit Erdöl zu erreichen und nimmt die Nachteile in Kauf.
Die damit verbundene erhöhte Schwefeldioxidemission betrifft aber auch Gebiete im benachbarten Polen. Jadwiga Wiśniewska, eine polnische Abgeordnete im Europaparlament, die die rechtspopulistische Oppositionspartei PiS vertritt, hat deshalb schon am 11. April, bevor die deutsche Öffentlichkeit von der Ausnahmegenehmigung erfuhr, folgende Fragen an die EU-Behörden gestellt: 1. Liegen der EU aus Deutschland Notifizierungen über Genehmigungen zur Erhöhung der Schwefeldioxidemission vor und genügen diese den formellen und inhaltlichen Voraussetzungen? 2. Plant die Europäische Kommission, in Bezug auf die PCK-Raffinerie Maßnahmen zu ergreifen? 3. Welche Sanktionen können gegen ein Unternehmen oder einen Mitgliedstaat verhängt werden, wenn nationale Genehmigungen zur Erhöhung der Schwefeldioxidemissionen nicht mit EU-Recht vereinbar sind?
Es geht bei dieser Anfrage darum, dass der deutsche Alleingang nicht nur Teile Polens und deren Bewohner in Mitleidenschaft zieht, sondern möglicherweise auch EU-Regeln gegen unlauteren Wettbewerb verletzt. Aus diesem Grund liegt auch ein Antrag der PCK auf Fördergelder des Bundes für eine Kapazitätserweiterung der Pipeline Rostock–Schwedt in Höhe von 400 Millionen Euro seit August 2023 bei der EU auf Eis.
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