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Aus: Ausgabe vom 07.05.2025, Seite 10 / Feuilleton
Nachruf

Liebe geht durch den Magen

Zum Tod der Kochkolumnistin Ursula Winnington
Von F.-B. Habel
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Kochkolumnenkönigin der DDR: Ursula Winnington

Auch heute finden sich in Tausenden Bücherregalen Titel wie »Ein Leib- und Magenbuch«, »Liebe, Phantasie und Kochkunst«, »Aphrodites Gaben«, und sie haben keinen Staub angesetzt. Auch ein »Kleines Kochbuch für Kinder« schrieb Ursula Winnington. Die Autorin, die unter ihrem ersten Ehenamen Ursula Wittbrodt zu schreiben begann, stammte aus Pommern, studierte Landwirtschaft in Berlin, wo sie auch promoviert wurde. Zehn Jahre lang blieb sie für das Landwirtschaftliche Zentralblatt unentbehrlich, wo sie ihr Talent zum Schreiben entdeckte. Damals unternahm sie eine Indien-Reise, wo sie, die sich seit den vierziger Jahren mit deutscher Kriegs- und Nachkriegsküche vertraut gemacht hatte, die asiatische Küche begeistert kennenlernte. Als sie in den sechziger Jahren den britischen Kommunisten Alan Winnington kennen und lieben lernte, der als Journalist im Exil in der DDR lebte, profitierte sie von dessen Kochkenntnissen, die er sich als Korrespondent in China angeeignet hatte. Winnington war vielseitig, arbeitete für den Fernsehfunk in den sechziger Jahren als Spielmeisterin in »Gewußt und Gewonnen«, in den achtziger Jahren für die Ratgebersendung »Sie und Er und 1.000 Fragen«. Ihre Kolumne »Liebe, Phantasie und Kochkunst« im Magazin bestach durch kulturhistorische Bemerkungen und anspielungsreiche Formulierungen.

Hinzu kam, dass die Autorin genau prüfte, mit welchen in der DDR erhältlichen Gewürzen und Zutaten der gewünschte Geschmack annähernd erreicht werden konnte. In einem 2000 erschienenen Vorwort zu einer Neuauflage schrieb die Autorin Jutta Voigt, Winningtons Rezepte wirkten »wie ein Westvisum für jedermann, eine lukullische Verführung zur Grenzüberschreitung, Republikflucht in der Bratpfanne«. In Berlin ist Ursula Winnington am 4. Mai mit 96 Jahren gestorben.

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