Horst Klinkmann 90

Er ist der Sohn eines mecklenburgischen Tagelöhners, der in Stalingrad ums Leben kam, seine Mutter starb 1945. Horst Klinkmann äußerte einmal, er vergesse nicht, dass er als Waise der DDR seine Ausbildung verdanke. Er studierte ab 1954 Medizin und wurde beginnend mit seiner Doktorarbeit 1959 zu einem international hoch angesehenen Internisten und Nierenspezialisten. Eine Auswahl: Seit 1992 ist er Dekan in Bologna, Ehrenprofessor in Nanjing, erhielt 13 Doktorhüte ehrenhalber und weitere Ehrenprofessuren. Der Hintergrund: Als junger Mediziner spezialisierte sich Klinkmann auf die Entwicklung künstlicher Organe und erwarb rasch Patente für Teile der »künstlichen Niere« – heute sind es 38. Nach seiner Habilitation 1969 holte ihn der »Vater der Dialyse«, der Niederländer Willem Kolff, zu einer Forschungsprofessur in die USA, danach wurde Klinkmann Professor und wenig später Klinikdirektor an der Universität Rostock. Er baute die Dialyseversorgung in der DDR auf, wurde 1980 Präsident des Wissenschaftlichen Rates für medizinische Forschung und in jeweils geheimer Wahl an die Spitze von vier internationalen medizinischen Gesellschaften gewählt, Mitte Mai 1990 auch zum Präsidenten der Akademie der Wissenschaften der DDR. Die sollte laut Einigungsvertrag aufgelöst werden, und die Eroberer aus dem Westen vollzogen die »Abwicklung« gnadenlos. Mit Klinkmann befasste sich eine elfköpfige »Ehrenkommission«, deren juristisches Personal mehrheitlich aus Westdeutschen bestand. Sie bescheinigte ihm 1992 »mangelnde persönliche Eignung«. In der Landesregierung fanden sich willige Helfer, die Klinkmann seines Amtes als Universitätsprofessor enthoben. Er arbeitete im Ausland, später wieder in Mecklenburg-Vorpommern, wo er zeitweilig auch den Vorsitz im Aufsichtsrat des FC Hansa Rostock übernahm. Demnächst erscheinen seine Erinnerungen: Als er dafür Einsicht in die Akten der »Ehrenkommission« beantragte, wurden ihm die erst nach Androhung juristischer Schritte vorgelegt. An diesem Mittwoch wird Horst Klinkmann 90 Jahre alt. (jW)
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