Kurdische Einheit gefestigt
Von Tim Krüger
Seit langem wird um eine geeinte Haltung der kurdischen Akteure und eine gemeinsame Strategie im Hinblick auf die Zukunft der kurdischen Gebiete in Syrien gerungen. Die rapiden Entwicklungen in der Region nach dem Sturz der Regierung von Baschar Al-Assad im Dezember 2024 und die darauf erfolgte Bildung einer De-facto-Regierung haben die Notwendigkeit noch verstärkt. 400 Delegierte syrisch-kurdischer Organisationen fanden daher am vergangenen Wochenende in Kamischli zu einer Konferenz zusammen, um eine Perspektive zur Neuordnung des syrischen Staates zu entwickeln. Auch aus den kurdischen Gebieten der Türkei und dem Irak waren Gäste angereist.
Die Einberufung der Konferenz war mehrfach verschoben worden und wurde letztlich von Îlham Ehmed, der Koaußenbeauftragten der Demokratischen Selbstverwaltung in Nord und Ostsyrien (DAANES, bekannt als Rojava) nach einem Besuch in der Autonomen Region Kurdistan im Irak (KRI) bekanntgegeben. Dort hatte sich Ehmed mit dem Generalkommandanten der Demokratischen Kräfte Syriens, Mazlum Abdi, mit dem KRI-Präsidenten Nêçîrvan Barzanî sowie mit dem französischen Außenminister Jean-Noël Barrot getroffen. Barzanî soll sich im Zuge der Gespräche für eine geeinte kurdische Haltung in Syrien sowie die Einberufung einer kurdischen Nationalkonferenz ausgesprochen haben.
Viele kurdische Parteien und Organisationen, zwischen denen seit Jahren ein zumindest angespanntes Verhältnis besteht, kamen in Kamischli nach mehr als zehn Jahren erstmals wieder zusammen. So etwa die Partei der Demokratischen Union (PYD) und der Barzanî-nahe Kurdische Nationalrat (ENKS). Zuletzt hatten die Parteien 2014 gemeinsam gegen den »Islamischen Staat« (IS) gekämpft, danach verschlechterten sich die Beziehungen fast stetig. Dass die Abschlusserklärung gemeinsam von Foza Yûsif (PYD) und Mihemed Îsmaîl (ENKS) verlesen wurde, hat daher einen besonderen Charakter.
In der Erklärung werden die geeinte kurdische politische Position in dem Neuordnungsprozess Syriens betont und die Wichtigkeit eines vielfältigen Landes, in dem die Rechte von Minderheiten gewahrt werden. Mit Blick auf den syrischen Gesamtstaat soll es ein Verhandlungskomitee geben; für die kurdischen Gebiete wurde beschlossen, dass sie als eigene politische wie administrative Einheit in einem föderalen Syrien gefasst werden.
Die Konferenz reiht sich ein in eine Reihe von Aushandlungsprozessen zwischen der DAANES und der De-facto-Regierung in Damaskus. So wurde am 10. März ein Achtpunkteplan für ein demokratischeres Syrien und zur Autonomie der DAANES unterzeichnet. Die kommunale Selbstverwaltung in den kurdischen Stadtvierteln Şêxmeqsûd und Eşrefiye in Aleppo konnte daraufhin ihre Arbeit wiederaufnehmen, da durch das Abkommen Kontrollpunkte weggefallen sind. Diese Entwicklung könnte richtungsweisend für die Eingliederung der Selbstverwaltung in den syrischen Staat bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung autonomer Strukturen werden.
Die Abkommen wie auch die Konferenz könnten wichtige Schritte sein, um die demokratischen Errungenschaften in Nord- und Ostsyrien zu sichern. Gemeinsam mit dem Beginn eines Waffenstillstandes unter Vermittlung der US-geführten internationalen »Anti-IS-Koalition« am Tischrin-Staudamm und der De-facto-Waffenruhe in ganz Nord-und Ostsyrien lassen sie auf eine friedlichere Zukunft Syriens hoffen. Dass die neuen Machthaber die kurdische Autonomie nicht einfach so anerkennen, machte Ahmed Al-Scharaa noch am Wochenende klar: Der frühere Al-Qaida-Mann erklärte, man stelle sich gegen jeden Versuch, das syrische Territorium zu spalten.
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