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Aus: Ausgabe vom 25.05.2024, Seite 7 / Ausland
Botschaftsstürmung

Streit um Richterspruch

Vorläufige IGH-Entscheidung zu Botschaftsstürmung von Mexiko und Ecuador gegenteilig aufgefasst. Angelegenheit im Hauptverfahren noch offen
Von Volker Hermsdorf
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»Immer mit dir«: Protest für die Freilassung des linken Politikers Jorge Glas in Quito (12.4.2024)

Die diplomatische Krise zwischen Mexiko und Ecuador geht weiter. Beide Seiten begrüßten eine Entscheidung des Internationalen Gerichtshofs (IGH), der am Donnerstag einen Antrag Mexikos auf Sofortmaßnahmen zum Schutz seiner Botschaft in Quito abgelehnt hatte, interpretierten das Urteil jedoch unterschiedlich. Während Mexikos Präsident Andrés Manuel López Obrador erklärte, der Prozess sei damit »noch nicht beendet«, und er sei sicher, dass die Klage am Ende Erfolg haben werde, feierte Ecuadors rechter Staatschef Daniel Noboa den Spruch als »Triumph der Diplomatie« seines Landes.

Für Noboa, der am Donnerstag die ersten sechs Monate einer verkürzten Amtszeit beendete, kam die IGH-Entscheidung gerade rechtzeitig zum ersten Bericht an die Nation, den er am Freitag (Ortszeit) im Parlament präsentieren wollte. Lokalen Medien zufolge waren dazu rund 200 Busse mit Aktivisten seiner Rechtspartei Nationale Demokratische Aktion (ADN) aus verschiedenen Provinzen nach Quito unterwegs. Der Bananenunternehmer, dessen Zustimmungsrate innerhalb der vergangenen sechs Monate von 80 auf 60 Prozent gefallen ist, will im Februar 2025 bei der nächsten Präsidentschaftswahl erneut antreten und braucht bis dahin dringend Erfolge. Denn obwohl er behauptet, dass der Frieden im Lande wiederhergestellt sei, ist die Realität weit davon entfernt. Massaker, Auftragsmorde, Erpressung und andere Verbrechen halten unvermindert an. Am Mittwoch verhängte Noboa deshalb erneut den Ausnahmezustand in sieben Provinzen.

Die Ablehnung des mexikanischen Antrags auf vorläufige Maßnahmen des IGH zur Sicherung seiner diplomatischen Einrichtungen scheint ein willkommener Anlass, von unbequemen Themen abzulenken. Wie die mexikanische Tageszeitung La Jornada berichtete, veröffentlichte Noboa kurz vor seiner Rede an die Nation auf Tik Tok ein Video, in dem er sich über Expräsident Rafael Correa lustig macht, weil der Anführer der oppositionellen linken Partei »Revolución Ciudadana« im April vor dem EU-Parlament Sanktionen wegen des Angriffs auf die mexikanische Botschaft und der Entführung des ehemaligen Vizepräsidenten Jorge Glas gefordert hatte, dem dort Asyl gewährt worden war. Zu einem Ausschnitt aus dieser Rede stichelte Noboa im Untertext: »Wenn du Sanktionen für dein Land forderst und du sie nicht bekommst: Fang doch an zu heulen.«

Der Triumph könnte jedoch verfrüht sein. Denn Mexiko interpretiert die IGH-Entscheidung völlig anders. Obwohl der Gerichtshof die im Rahmen der Klage wegen des Überfalls auf die Botschaft in Quito am 5. April beantragten einstweiligen Maßnahmen abgelehnt hat, verweist das mexikanische Außenministerium auf zwei Erfolge, nämlich die Zusage Ecuadors, dessen Einrichtungen nicht mehr zu betreten, und die Bestätigung der absoluten Unverletzlichkeit diplomatischer Vertretungen durch den IGH. Bei einer Anhörung in Den Haag hatte Ecuador sich gegenüber dem Gericht am 1. Mai unter anderem dazu verpflichtet, »den Einrichtungen, Gütern und Archiven der diplomatischen Vertretung Mexikos in Quito vollen Schutz und Sicherheit zu gewähren, um jede Form des Eindringens in sie zu verhindern«.

Daraufhin stellten die Richter am Donnerstag fest, »dass die Umstände, so wie sie sich gegenwärtig darstellen, keine Anordnung von Sicherungsmaßnahmen erfordern«. Das Gericht betonte, dass es nur dann befugt sei, solche Maßnahmen anzuordnen, wenn »Dringlichkeit« oder eine »reale und unmittelbare Gefahr (…) für die Rechte besteht, um die es in dem Gerichtsverfahren geht«. Zugleich ermahnte der IGH Ecuador jedoch ausdrücklich, dass es »in den Beziehungen zwischen Staaten kein grundlegenderes Erfordernis als die Unverletzlichkeit von Diplomaten und Botschaften« gibt.

Unter Verweis darauf gab sich López Obrador zuversichtlich, das sich möglicherweise bis Ende des Jahres hinziehende Hauptverfahren zu gewinnen. Äußerungen Noboas, er sei bereit, den Dialog mit Mexiko wiederaufzunehmen, wies López Obrador zurück. »Wir führen keinen Dialog mit jemandem, der die Souveränität unseres Landes nicht respektiert hat. Die Angelegenheit wird vor dem Internationalen Gerichtshof geklärt werden.«

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