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Aus: Ausgabe vom 25.05.2024, Seite 7 / Ausland
USA-Israel

Netanjahu will Churchill überholen

Wahlkampfmunition für Republikaner: Vierte Ansprache an US-Kongress von Israels Premier geplant
Von Knut Mellenthin
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Trotz Kriegsverbrechen in Washington gern gesehen: Israels Premier Netanjahu bei Unterzeichnung der Trumpschen »Abraham Accords« mit diversen Golfstaaten (15.9.2020)

Mit hoher Wahrscheinlichkeit wird Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu in nächster Zeit zum vierten Mal vor eine gemeinsame Sitzung des US-Kongresses treten, um eine Ansprache zu halten. Der von den Republikanern gestellte Sprecher des Abgeordnetenhauses, Michael Johnson, teilte am Donnerstag mit, dass nach wochenlangem Hinauszögern nun auch der Mehrheitssprecher im Senat, Charles Schumer, von den Demokraten, die Einladung unterschreiben wolle. Zuvor hatte Johnson seinem Kollegen ultimativ gedroht, er werde Netanjahu im Alleingang ins Abgeordnetenhaus einladen, wenn er Schumers Zustimmung nicht bis Donnerstag haben sollte.

Falls es wirklich zu einer vierten Ansprache an den Kongress käme, würde der im eigenen Land heftig umstrittene israelische Regierungschef als alleiniger Rekordhalter den früheren britischen Premierminister Winston Churchill überholen, mit dem er gegenwärtig noch gleichauf liegt.

Nur Netanjahus frühester Auftritt im Kongress am 10. Juli 1996 kann als normale Antrittsrede gelten: Der damals 46jährige hatte knapp einen Monat vorher seine erste Amtszeit als Premierminister begonnen. Zu den folgenden Reden vor dem Kongress am 24. Mai 2011 und am 3. März 2015 war Netanjahu auf Initiative der Republikaner eingeladen worden, um ihm eine Plattform für die Darstellung seiner Position zu Differenzen mit dem damaligen Präsidenten Barack Obama zu bieten. Die Einladung im Jahr 2015 war außerdem eine direkte innenpolitische Unterstützung für den Premierminister, denn zwei Wochen später fanden in Israel Parlamentswahlen statt.

Die Rahmenbedingungen wären jetzt ähnlich. In den USA wird am 5. November über eine zweite Amtszeit von Joseph Biden entschieden. Propagandamunition für den absurden, aber wirksamen Vorwurf, der Präsident lasse »unseren wichtigsten Verbündeten« Israel in der Stunde der allergrößten Not in Stich, könnten die Republikaner gut gebrauchen. In Israel, wo das Ansehen des Langzeitpremiers auf dem historischen Tiefpunkt ist, die Massenproteste zunehmen und sich immer mehr Politiker der Forderung nach Neuwahlen anschließen, würde eine umjubelte Rede an den Kongress der USA Netanjahu vielleicht wieder etwas Auftrieb geben.

Einen seiner Zwecke hat das intrigante Manöver der Republikaner schon im Vorfeld erreicht: Die gegnerische Partei wird als tief gespalten und insgesamt gegenüber Israel nicht vertrauenswürdig vorgeführt. 2015, als Netanjahu im Kapitol eine scharfe Polemik gegen den Iran vortrug, während die Wiener Verhandlungen über das »Atomabkommen« sich in der entscheidenden Schlussphase befanden, waren 58 Demokraten dem eindeutig gegen Obama gerichteten Spektakel demonstrativ ferngeblieben. Mit einer etwa gleich großen Zahl von »Boykotteuren« wird auch diesmal gerechnet. Das reicht zwar für die Propagandazwecke der Republikaner aus, ist aber in Wirklichkeit nicht viel: Im Abgeordnetenhaus haben die Demokraten 213 stimmberechtigte Vertreter, 48 Senatoren kommen hinzu.

Im Gegensatz zur vorherrschenden Erzählung, die völlige Übereinstimmung der Interessen beider Länder vortäuscht, haben fast alle US-Präsidenten seit 1948 Konflikte mit Israel ausgetragen. In jedem Einzelfall mussten sie sich mit einer Kongressmehrheit auseinandersetzen, die die israelische Position unterstützte. In diese Tradition passt auch die Rede, die die republikanische Abgeordnete Elise Stefanik, eine Anhängerin von Donald Trump und Vertreterin tief reaktionärer Positionen, am vergangenen Sonntag in der Knesset vortrug. Der Inhalt reichte vom »totalen Sieg« im Krieg gegen die Palästinenser – eine Parole Netanjahus – bis zur Polemik gegen die »Symptome eines jahrzehntelangen moralischen Verfalls« und eines »gefährlichen radikalen Gruppendenkens« an den »sogenannten Eliteuniversitäten« der USA. Im Bildungsausschuss des Abgeordnetenhauses betreibt Stefanik seit Dezember die Absetzung und Einschüchterung von Universitätsleitungen, denen die Republikaner fehlende Härte im Umgang mit propalästinensischen Protesten vorwerfen.

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