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Aus: Ausgabe vom 13.04.2024, Seite 7 / Ausland
Botschaftsrazzia

Mexiko pocht aufs Völkerrecht

Nach Razzia gegen Botschaft: Ausschluss Ecuadors aus UNO gefordert. Präsident Noboa sucht Unterstützung bei den USA
Von Volker Hermsdorf
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Handgreiflichkeiten auf Kamera: Spezialeinheiten verschleppen Exvizepräsident Jorge Glas aus der Botschaft (Quito, 5.4.2024)

Der Überfall auf die mexikanische Botschaft in Quito durch eine Spezialeinheit der Polizei könnte für die rechte Regierung Ecuadors weitreichende Folgen haben. Mexiko hat in einer am Donnerstag beim Internationalen Gerichtshof (IGH) eingereichten Klage die vorläufige Suspendierung der UN-Mitgliedschaft des Landes gefordert. An diesem Freitag geht es auf einer außerordentlichen Sitzung der Gemeinschaft der lateinamerikanischen und karibischen Staaten (CELAC) ebenfalls um den Vorfall und mögliche Maßnahmen.

Ecuador müsse für die schwere Verletzung des Völkerrechts zur Rechenschaft gezogen werden, fordert Mexikos Außenministerin Alicia Barcena. Ihr Land beabsichtige, einen Präzedenzfall zu schaffen, und habe deshalb beantragt, dass Staaten bei ähnlichen Verstößen künftig nicht nur suspendiert, sondern ganz aus den Vereinten Nationen ausgeschlossen werden könnten. Damit solle die Einhaltung des Völkerrechts gestärkt werden. »Wir wollen das internationale Justizsystem auf den Prüfstand stellen«, begründete Barcena den Antrag. Die Missachtung des internationalen Rechts betreffe alle und nicht nur Mexiko, erklärte auch dessen Präsident Andrés Manuel López Obrador. Er verwies darauf, dass »andere Länder sich der Anklage anschließen« könnten. Vor einer Woche waren schwerbewaffnete Spezialkräfte in die mexikanische Botschaft eingedrungen und hatten dort den ehemaligen ecuadorianischen Vizepräsidenten Jorge Glas von der linken Partei »Revolución Ciudadana« (RC) festgenommen. Glas, der auch die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt, war 2017 in einem offenkundig politisch motivierten Verfahren zu einer mehrjährigen Freiheitsstrafe verurteilt und vor zwei Jahren vorzeitig entlassen worden. Weil er eine erneute Verfolgung befürchtete, floh er im Dezember in die mexikanische Botschaft und bat um Asyl.

In seinem ersten öffentlichen Auftritt seit der Verhaftung schilderte Glas bei einer gerichtlichen Anhörung zur Haftprüfung am Donnerstag Einzelheiten seiner Festnahme und erklärte, gefoltert worden zu sein. Polizisten hätten seinen Kopf gegen eine Wand geschlagen, ihn getreten und zwei Finger ausgekugelt, sagte Glas, der per Videoschaltung aus dem Hochsicherheitsgefängnis La Roca an der Anhörung teilnahm. Nach Angaben seiner Anwältin Sonia Vera befindet er sich dort im Hungerstreik. Mit der Habeas-corpus-Beschwerde baten die Anwälte das Gericht, die Inhaftierung aufzuheben und den ecuadorianischen Staat anzuweisen, Glas nach Mexiko oder in ein Drittland ausreisen zu lassen, das ihm ebenfalls Asyl gewähre. Zwar ist kaum mit einem Erfolg der Beschwerde zu rechnen, doch die Regierung des US-freundlichen Unternehmers Daniel Noboa gerät zunehmend unter internationalen Druck. Seine neoliberale Politik, die das »Gesetz des Dschungels« in der Region einführe, nutze den USA, weil es ihnen erlaube, sich einzumischen und die Präsenz des für Lateinamerika zuständigen »Southern Command« auszuweiten, erklärte der argentinische Politikwissenschaftler Atilio Borón in einem Telesur-Interview. Allerdings habe der Angriff auf die Botschaft »eine rote Linie überschritten«, die auch Washington nicht ignorieren könne.

Am Mittwoch vergangener Woche hatten auch die US-dominierte Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) und der nationale Sicherheitsberater des Weißen Hauses, Jacob Sullivan, Ecuador verurteilt. Eine Woche später ist Noboa nun zu einem dreitägigen Besuch in die USA aufgebrochen. Mit dem Hinweis, es handele sich um einen privaten Besuch, verweigerte die Regierung jede Auskunft über dessen Gründe und Einzelheiten. Örtlichen Medien zufolge gehören allerdings auch Militärs wie der Sicherheitschef Oberst Edwin Godoy Pasquel zum Gefolge auf der bereits vierten US-Reise des Präsidenten seit seinem Amtsantritt vor knapp fünf Monaten. Im Gegenzug zur Entsendung von US-Truppen des »Southern Command«, angeblich für den Kampf gegen die Drogenmafia, hatte er nach früheren US-Aufenthalten zugestimmt, russische Waffen an die Ukraine zu liefern. Weil dies gegen bestehende Verträge verstoßen hätte, musste er diese Haltung später allerdings kleinlaut korrigieren. Etwas anderes könnte ihm auch diesmal nicht aus der Klemme helfen.

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