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Aus: Ausgabe vom 19.03.2024, Seite 7 / Ausland
Migration

Türsteher Ägypten

Kairo soll stärker gegen Migranten und Flüchtlinge vorgehen. Dafür gibt es Finanzhilfen in Milliardenhöhe
Von Gerhard Feldbauer
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Besessen vom Thema Migration, biedert sich die EU gerne Diktatoren wie Ägyptens Al-Sisi an (M., Kairo, 17.3.2024)

Die Ministerpräsidentin Italiens, Giorgia Meloni, hat das EU-Abkommen mit Ägyptens Staatschef Abdel Fattah Al-Sisi in Kairo zur Förderung der Entwicklung als Gegenleistung für die Eindämmung der Migrantenströme als Übereinkunft von »historischer Relevanz« bezeichnet. Laut RAI News sei die Chefin der extrem rechten »Brüder Italiens« stolz auf die Rolle ihres Landes bei Ausarbeitung des Vertrags. Während ihrer Teilnahme an dem Spitzentreffen in Kairo mit mehreren Vertretern der EU und ihrer Mitgliedstaaten, darunter Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, Österreichs Kanzler Karl Nehammer, der belgische Ministerpräsident Alexander De Croo und der griechische Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis, erklärte sie auf einer Pressekonferenz: »Zweck der Hilfe ist eine Zusammenarbeit bei der Eindämmung unerwünschter Migration, aber auch wirtschaftliche und politische Kooperation.« Das Migrationsabkommen mit Ägypten werde wie schon das mit Tunesien die Anlandungen illegaler Migranten nach Italien weiter stoppen. Es sieht unter anderem vor, dass das nordafrikanische Land im Gegenzug für millionenschwere Finanzhilfen stärker gegen Schlepper und illegale Überfahrten vorgeht. Ägypten sei ein entscheidender Verbündeter bei der Stabilisierung Nordafrikas und ein Partner bei der Kontrolle der Migrationsrouten.

Mit dem Abkommen baut die EU ihre Zusammenarbeit mit Ägypten erheblich aus. Das Land am Nil, das selbst neun Millionen Flüchtlinge, darunter vier Millionen aus dem Sudan und eineinhalb Millionen aus Syrien, beherbergt, erhält, um seiner notorisch schwächelnden Wirtschaft unter die Arme zu greifen, 7,4 Milliarden Euro, davon fünf Milliarden Euro für Darlehen und 1,8 Milliarden für Investitionen in Bereiche wie Ernährungssicherheit und Digitalisierung. 600 Millionen Euro sollen als Zuschüsse fließen, 200 Millionen für das Migrationsmanagement.

Auch die griechische Regierung machte sich besonders für das Abkommen stark. Dem UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) zufolge sind in diesem Jahr bereits mehr als 1.000 Menschen über eine neue Flüchtlingsroute vom libyschen Tobruk aus auf den Inseln Gavdos oder Kreta angekommen. Zudem spiele Ägypten eine entscheidende Rolle für die Sicherheit und Stabilität des Nahen Ostens, betonte EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen. Eine »strategische und für beide Seiten vorteilhafte Partnerschaft« habe deshalb »eine Priorität«. Meloni versicherte: »Man wird immer auf Italien zählen können«, um den Dialog zwischen den »beiden Ufern« des Mittelmeers zu vertiefen. Wie verlautet, waren Gaza und ein »Waffenstillstand«, den alle bei gleichzeitiger Unterstützung der palästinensischen Bevölkerung forderten, ein wiederkehrendes Thema. Die EU-Kommissionspräsidentin beteuerte: »Wir werden Hand in Hand mit Ägypten und anderen Partnern daran arbeiten, auf allen möglichen Wegen Hilfe nach Gaza zu bringen«, Zivilisten müssten geschützt werden, und es dürfe »keine Zwangsumsiedlung von Palästinensern aus Gaza geben«. Man wolle auf eine dauerhafte Friedenslösung hinarbeiten, die auf einer Zweistaatenlösung basiert.

Meloni kam nicht umhin, Al-Sisi an den italienischen Studenten Giulio Regeni zu erinnern, der am 3. Februar 2016 in Kairo ermordet aufgefunden worden war, wo er für seine Doktorarbeit an der Universität Cambridge recherchiert hatte. Sein gewaltsamer Tod führte seitdem zu Spannungen zwischen Italien und Ägypten. Für den »friaulischen Forscher« werde weiterhin nach »Wahrheit und Gerechtigkeit« gesucht, betonte Meloni, aber das wird in Italien niemand davon abhalten, Beziehungen zu Gesprächspartnern wie Kairo aufzubauen, die insbesondere seit Ausbruch des Konflikts im Nahen Osten immer »strategischer« werden. Die Verbindungen zu den nordafrikanischen Ländern zu stärken ist Teil ihres sogenannten Mattei-Plans für Afrika.

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