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Aus: Ausgabe vom 19.03.2024, Seite 7 / Ausland
Konflikt im Sahel

Niger kündigt dem Westen

Regierung wirft EU-Mission und US-Truppen aus dem Land in der Sahara trotz teurer Drohnenbasis
Von Dominik Wetzel
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Abschiedsgrüße aus dem Sahel: Treffen der Premierminister Nigers, Burkina Fasos und Mali in Niamey (29.12.2023)

Der Sahelstaat Niger hat am Wochenende umfänglich mit dem Westen gebrochen. Am Montag haben die letzten Beteiligten der EU-Polizeimission Eucap Sahel das Land verlassen, nachdem die Militärregierung erst am Samstag das militärische Kooperationsabkommen mit den USA »mit sofortiger Wirkung« gekündigt hatte. Laut dpa landete die deutsche Leiterin des EU-Einsatzes, Katja Dominik, am Sonntag als letzte der 120 Mitarbeiter in Brüssel. Wegen mutmaßlich ungenehmigter Waffentransporte der Eucap beim Abzug aus dem Norden des Landes folgte eine Durchsuchung der nigrischen Behörden im Hauptquartier der Mission. Bereits am 19. Februar hatten nigrische Behörden das Eucap-Hauptquartier durchsucht und dort unter anderem Pistolen, Halbautomatikwaffen, Schutzausrüstung und größere Mengen Munition beschlagnahmt. Die EU nannte die Razzia einen »Vertrauensbruch«, die Ausrüstung sei ordnungsgemäß gemeldet gewesen.

Dem umfassenden Rauswurf voraus ging ein Besuch von US-Beamten. Nachdem vergangene Woche die stellvertretende Außenministerin für afrikanische Angelegenheiten Mary Phee und General Michael Langley, Leiter des US-Afrika-Kommandos (Africom), das Land besucht hatten, erklärte Regierungssprecher Amadou Abdramane am Samstag: »Niger bedauert die Absicht der US-amerikanischen Delegation, dem souveränen nigrischen Volk das Recht zu verweigern, seine Partner und die Arten von Partnerschaften zu wählen, die ihm im Kampf gegen den Terrorismus wirklich helfen können.« Daraufhin kündigte Niamey seine Vereinbarungen mit Washington auf. Die US-Delegation habe sich nicht an das diplomatische Protokoll gehalten und Niger nicht über die Zusammensetzung der Delegation, das Datum ihrer Ankunft oder die Tagesordnung informiert.

Nach dem Staatsstreich vergangenen Jahres sah die Lage für die US-Armee zunächst noch entspannt aus. Während die alte Kolonialmacht Frankreich von der neuen Regierung nach Hause geschickt wurde, durfte die US-Armee weiter ihre Drohnenbasis »Airbase 201« bei Agadez in Betrieb halten. Die 2016 fertiggestellte Luftwaffenbasis dient offiziell im Kampf gegen »Terroristen« in Niger, etwa dschihadistischen Gruppen wie Boko Haram oder »Islamischer Staat«, jedoch sind US-Drohnen seit dem Sturz Muammar Al-Ghaddafis 2011 laut dem US-Medium Intercept auch Hunderte Luftangriffe in Libyen geflogen. 2017 waren in Niger vier US-Soldaten im Land bei Gefechten mit Islamisten gefallen. Derzeit sollen sich noch etwa 1.000 US-Soldaten im Land befinden.

Die selbstbewusste Putschregierung unter dem Ministerpräsidenten und ehemaligen Finanzminister Ali Lamine Zeine genießt eine gewisse Unterstützung durch die Bevölkerung. Um die Wogen zu glätten, entsandte US-Präsident Joseph Biden im August »seine beste Diplomatin«, wie das Handelsblatt sie beschreibt: Victoria Nuland. Doch der führende General Abdourahamane Tchiani hatte keine Zeit für die US-Diplomatin. Nuland wies die Militärs auf die Konsequenzen ihres Handelns für die Beziehungen zu den USA hin, sollte die Regierung des abgesetzten Mohamed Bazoum nicht wiederhergestellt werden. Washington hat die Hilfen für Niger bereits eingefroren, weitere Schritte sollten folgen.

Wahrscheinlich war es ebendiese Haltung, wegen der Abdramane erklärte, die nigrische Regierung verurteile »die herablassende Haltung des Leiters der US-amerikanischen Delegation gegenüber der nigrischen Regierung und dem nigrischen Volk, die mit der Androhung von Vergeltungsmaßnahmen einhergeht«.

Das in Stuttgart ansässige US-Africom, von dem aus die USA all ihre militärischen Angelegenheiten auf dem afrikanischen Kontinent – mit Ausnahme von Ägypten – koordiniert, war zunächst nicht zu einer Stellungnahme bereit und verwies gegenüber jW auf den Pressesprecher des US-Außenministeriums. Matthew Miller hatte via X erklärt: »Wir haben die Erklärung des CNSP (Nationalrat zum Schutz des Vaterlandes, jW) in Niger zur Kenntnis genommen, die auf offene Gespräche auf hoher Ebene in Niamey in dieser Woche über unsere Bedenken hinsichtlich des Kurses des CNSP folgt.«

Bis zum Staatsstreich im Juli 2023 war Niger ein wichtiger Partner von NATO-Staaten wie den USA, Frankreich und Deutschland. Während diese jedoch in der Region im Rückzug sind, hat Russland seinen Einfluss stetig ausgebaut.

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