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Leserbrief zum Artikel Zukunft der Linkspartei: »Partei muss Klassenfrage ernst nehmen« vom 12.09.2020:

Jedes Mitglied ist die Partei

Mit Interesse habe ich diesen Artikel gelesen. Ein wenig verwundert bin ich allerdings schon, dass Frau Hannemann aus der Partei ausgetreten ist, weil die soziale Gerechtigkeit immer mehr in den Hintergrund gerate. Den Schritt tatsächlich zu gehen und der Partei Die Linke den Rücken zu kehren, kann ich nur bedauern. Ich bin selbst ein Mensch, der zu einem marginalisierten Personenkreis zählt. Wirtschaftlich, monetär und beruflich, durch gesundheitliche Beeinträchtigungen mit 42 Jahren ins Abseits geschossen. Das soziale Netz wird bemerkenswert weitmaschig. Dennoch sollte ein jeder wissen, dass man in der Gesellschaft einen Fußabdruck hinterlässt. Aussagen wie »die da oben in der Parteiführung« oder »die Mitglieder ziehen nicht mit, weil …« spiegeln nicht die richtige Einstellung. Sie, Frau Hannemann, sind die oder vielmehr waren die Partei. Sie entschieden mit ihrer Parteitätigkeit, wie sozial die Partei letztendlich sich nach außen hin darstellt. Jedes Mitglied der Partei Die Linke ist die Partei. Deshalb bedaure ich es sehr, dass so eine engagierte Frau eben nicht mehr in der Partei aktiv ist.
Wenn man sich in der Partnerschaft liebt, muss man nicht gleich heiraten. Heiraten zeigt aber eben nach außen hin, wie wichtig einem der Partner bzw. die Beziehung ist. Um politisch konstruktiv in der Gesellschaft zu agieren, dazu benötigt man in der Tat kein Parteibuch, aber es ist eben doch professioneller. Karl Marx formulierte im 19 Jh. dass nur unter der Führung der Kommunisten der Sozialismus zu verwirklichen sei. Diesen Absolutismus teile ich heute nicht mehr. Sage aber Ihnen, Frau Hannemann, dass ein deutlich überzeugenderes Auftreten ist, wenn man als Vorbild die Ideale unserer Partei im Herzen nach außen trägt. Ich freue mich, wenn die Zeit für Sie kommt, dass Sie unserer Partei Die Linke wieder beitreten und erneut die politische Wertschöpfung konstruktiv und professionell unterstützen.
Alexander Klinger, Die Linke Stade

Kommentar jW:

Auf diesen Brief antwortete Joán Ujházy:

Zwei Anmerkungen zum Lesebrief von Herrn Alexander Klinger, Die Linke Stade: 1. Mich würde interessieren, wo Marx geschrieben haben soll, dass nur (sic!) unter der Führung der Kommunisten der Sozialismus verwirklichbar sei. Marx und Engels schrieben im »Manifest der Kommunistischen Partei«: »Die Kommunisten sind also praktisch der entschiedenste, immer weitertreibende Teil der Arbeiterparteien aller Länder; sie haben theoretisch vor der übrigen Masse des Proletariats die Einsicht in die Bedingungen, den Gang und die allgemeinen Resultate der proletarischen Bewegung voraus.« (MEW Bd. 4, S. 474) Der Blick von Herrn Klinger auf Marx unterliegt meines Erachtens einem groben Missverständnis. Dass die Kommunisten derzeit diese Rolle nicht mehr wahrnehmen, beruht auf einem Komplex von Ursachen, der hier nicht auseinandergesetzt werden kann. Fakt ist, dass die Linkspartei mitnichten »der entschiedenste, immer weitertreibende Teil der Arbeiterparteien« ist, mitnichten »theoretisch vor der übrigen Masse des Proletariats die Einsicht in die Bedingungen, den Gang und die allgemeinen Resultate der proletarischen Bewegung voraus« hat. Herr Klinger sollte darüber nachdenken, warum die Linkspartei diese Aufgaben nicht erfüllt.
2. Man muss nicht zwingend Mitglied einer Partei sein, um etwas zu bewirken. Marx und Engels waren nie Mitglied einer Partei, nicht einmal der Sozialdemokratischen, obwohl sie dieser Partei, weil damals in Europa die fortschrittlichste, am nächsten standen.
Ein Wort am Schluss: Herrn Klingers Bemerkung, ein jedes Mitglied der Partei sei die Partei, erinnert mich fatal an eine ähnliche Argumentation in der SED. Nur, die SED (hier die Führung) nahm diesen ihren Grundsatz sowenig ernst wie heute der die Partei dominierende »Reformflügel« die einzelnen Mitglieder wirklich ernst nimmt. (Wenn ich von dem »Reformflügel« lese, beschleicht mich ein Unbehagen. Was an diesem Flügel ist reformerisch. Reformen gehen immer davon aus, etwas zu verbessern, während die »Reform-Linken« Zustände zementieren wollen.) (...)

Veröffentlicht in der jungen Welt am 15.09.2020.
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