Leserbrief zum Artikel Konterrevolution: Vorhersehbarer Verrat
vom 10.01.2020:
Verquere Ideen
Gerhard Feldbauer nennt die Spitze der Kreise, die unter Einbindung einer Plattform innerhalb der SED und von geisteswissenschaftlichen Institutionen wie zum Beispiel der Akademie der Gesellschaftswissenschaften und der Humboldt-Universität und von Teilen des MfS die noch vorhandenen »sauberen« Führungskreise von der Basis trennten und mit einem Diversionsplan eigene Zielsetzungen verfolgten. Als Vorbild diente der politökonomische Umbau in der Sowjetunion. Die DDR ist ihr politisches Kind infolge ihres Sieges über den deutschen Faschismus. Sie war militärisch zum Schutz des europäischen sozialistischen Systems sowie wirtschaftlich über den Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe eingebunden. Das heißt aber nicht, dass sie wirtschaftspolitisch und konkret auf die eigenen Bedingungen bezogen den gleichen Weg verfolgte. Hier gab es selbst in der UdSSR unterschiedliche Herangehensweisen, bei denen etwa ab 1987 mehr und mehr die marktwirtschaftlichen siegten, nachdem sich eine breite wirtschaftliche Grauzone herausgebildet hatte. Andropow hatte bis zu seinem frühen Tode im Februar 1984 vermocht, eine wirtschaftliche Stabilisierung anzuschieben, von der unter Gorbatschow vorerst gezehrt wurde.
Es war ein Glanzstück sozialdemokratischen Verhaltens, mit scheinbar marxistisch-leninistischen Argumenten zuerst die Regierung, dann die kommunistische Parteiführung und mit ihr die Wirtschaftsspitzen nebst Planwirtschaft sowie die demokratischen sozialistischen Organe und die ganze Sowjetunion ohne Rücksicht auf nationale Besonderheiten umzukrempeln. Einher ging das mit einer unwahrscheinlichen Hetze gegen die KPdSU, kommunistische Positionen und mit ihnen gegen Stalin und andere Vertreter. Gorbatschow vollendete Chruschtschows Arbeit. Die UdSSR wurde dem Westen ohne sicherheitspolitische Zusagen ausgeliefert. Unter anderem sind auch das heutige Elend und die Kriege in Afrika Ergebnis dieser Politik. Das formale Ende der UdSSR 1991 darf über den Ablauf der Konterrevolution nicht hinwegtäuschen. Wer heute den »Verrat« der Sowjetunion an der DDR in den Vordergrund rückt, dient gewissen russophoben Intentionen bis hin zur psychologischen Vorbereitung eines Krieges gegen Russland.
Erst als der politische Umbau in der UdSSR weit vorangeschritten war und die Grundlagen des Kapitalismus ab etwa 1987 standen (Schewardnadse, Jakowlew und andere standen eng an Gorbatschows Seite und trieben ihn an), zeigten sich die Kreise von »Glasnost« und »Perestroika« in der DDR offen. Ein Teil der wüsten antikommunistischen Hetze kam im Dezember-Sputnik der DDR von 1988 zum Vorschein. Gemäß unseren antifaschistischen Gesetzen wurde er folgerichtig verboten. Im Februar 1989 wandte sich das Politbüro der SED (Unterschrift Erich Honecker) mit einem Brief an die Mitglieder der SED, der zumindest bei der Kreisleitung Pankow ankam. Mit Entsetzen lasen wir: Ohne die Sowjetunion (gemeint war die sozialistische!) können wir (die DDR) uns nicht halten. Bliebe zu fragen, welche Kreise sich in der SED gezielt breitmachten und gewisse Nachrichten unterdrückten.
Wenn Gerhard Feldbauer in seinem Artikel auf Gregor Gysis Beziehungen nach Italien verweist, trifft er mitten in ein Wespennest. Es war die italienische KP, die an der Spitze des Eurokommunismus stand und auch sowjetische Denker und Schriftsteller in bezug auf die Außenpolitik beeinflusste. Bereits 1968 hatte die IKP Dubcek unterstützt. Sie begrüßte auch den Slogan Gorbatschows von den »universellen menschlichen Werten«. Außenpolitisch entlehnten sie die Frage der Nulloption von den deutschen Sozialdemokraten und gaben sie an die UdSSR weiter. Wenn Gorbatschow die Frage der Friedensfähigkeit der NATO bzw. der kapitalistischen Staaten vertrat, spiegelte sich das schnell in der DDR wider. Wissenschaftler der Humboldt-Uni reklamierten noch 2009 (!) einen Platz im heutigen System und verwiesen dabei auf ihre Arbeiten gegen die »Dogmen« der SED. Dabei wird doch wahrlich auf »Chancen für einen friedensfähigen Kapitalismus« (Dieter Klein, 1988 Dietz-Verlag) verwiesen, der dem »SED-Dogma vom aggressiven Wesen des Kapitalismus« widersprach.
Die Ausgrenzung der Basis, der Arbeiter und Bauern in der DDR, diente wie in der UdSSR dem Verruf der SED und der Kommunisten. Insbesondere antikommunistische Kreise der Rosa-Luxemburg-Stiftung bestimmen seitdem die Geschichte, wobei sie eng mit der Bundeszentrale für politische Bildung zusammenarbeiten und andere Meinungen unterdrücken. Soweit zur Frage: Warum erst jetzt?
Es ist richtig, so wie Gerhard Feldbauer die Köpfe der Wühlarbeit gegen die DDR zu zeigen und jene zu benennen, die die Drecksarbeit im Dienste des Kapitals machten, denn wir haben »nicht alle mitgemacht«. Wichtiger aber noch ist zu zeigen, welche verqueren Ideen hinter ihnen stehen. Die Staatsführung der DDR hatte sich (was eigentlich normal sein sollte) auf einen Kreis von Wissenschaftlern gestützt, der nur an sein eigenes Renommee, nicht aber daran dachte, in wessen Dienst er stand. Es sind grundlegende sozialdemokratische weltanschauliche Fragen, mit denen nicht im Sinne der Sache und des Volkes umgegangen wurde, die letztlich zum Untergang der im sozialistischen Staatenbündnis Sowjetunion vertretenen Staaten und folgerichtig auch der DDR führten.
Es war ein Glanzstück sozialdemokratischen Verhaltens, mit scheinbar marxistisch-leninistischen Argumenten zuerst die Regierung, dann die kommunistische Parteiführung und mit ihr die Wirtschaftsspitzen nebst Planwirtschaft sowie die demokratischen sozialistischen Organe und die ganze Sowjetunion ohne Rücksicht auf nationale Besonderheiten umzukrempeln. Einher ging das mit einer unwahrscheinlichen Hetze gegen die KPdSU, kommunistische Positionen und mit ihnen gegen Stalin und andere Vertreter. Gorbatschow vollendete Chruschtschows Arbeit. Die UdSSR wurde dem Westen ohne sicherheitspolitische Zusagen ausgeliefert. Unter anderem sind auch das heutige Elend und die Kriege in Afrika Ergebnis dieser Politik. Das formale Ende der UdSSR 1991 darf über den Ablauf der Konterrevolution nicht hinwegtäuschen. Wer heute den »Verrat« der Sowjetunion an der DDR in den Vordergrund rückt, dient gewissen russophoben Intentionen bis hin zur psychologischen Vorbereitung eines Krieges gegen Russland.
Erst als der politische Umbau in der UdSSR weit vorangeschritten war und die Grundlagen des Kapitalismus ab etwa 1987 standen (Schewardnadse, Jakowlew und andere standen eng an Gorbatschows Seite und trieben ihn an), zeigten sich die Kreise von »Glasnost« und »Perestroika« in der DDR offen. Ein Teil der wüsten antikommunistischen Hetze kam im Dezember-Sputnik der DDR von 1988 zum Vorschein. Gemäß unseren antifaschistischen Gesetzen wurde er folgerichtig verboten. Im Februar 1989 wandte sich das Politbüro der SED (Unterschrift Erich Honecker) mit einem Brief an die Mitglieder der SED, der zumindest bei der Kreisleitung Pankow ankam. Mit Entsetzen lasen wir: Ohne die Sowjetunion (gemeint war die sozialistische!) können wir (die DDR) uns nicht halten. Bliebe zu fragen, welche Kreise sich in der SED gezielt breitmachten und gewisse Nachrichten unterdrückten.
Wenn Gerhard Feldbauer in seinem Artikel auf Gregor Gysis Beziehungen nach Italien verweist, trifft er mitten in ein Wespennest. Es war die italienische KP, die an der Spitze des Eurokommunismus stand und auch sowjetische Denker und Schriftsteller in bezug auf die Außenpolitik beeinflusste. Bereits 1968 hatte die IKP Dubcek unterstützt. Sie begrüßte auch den Slogan Gorbatschows von den »universellen menschlichen Werten«. Außenpolitisch entlehnten sie die Frage der Nulloption von den deutschen Sozialdemokraten und gaben sie an die UdSSR weiter. Wenn Gorbatschow die Frage der Friedensfähigkeit der NATO bzw. der kapitalistischen Staaten vertrat, spiegelte sich das schnell in der DDR wider. Wissenschaftler der Humboldt-Uni reklamierten noch 2009 (!) einen Platz im heutigen System und verwiesen dabei auf ihre Arbeiten gegen die »Dogmen« der SED. Dabei wird doch wahrlich auf »Chancen für einen friedensfähigen Kapitalismus« (Dieter Klein, 1988 Dietz-Verlag) verwiesen, der dem »SED-Dogma vom aggressiven Wesen des Kapitalismus« widersprach.
Die Ausgrenzung der Basis, der Arbeiter und Bauern in der DDR, diente wie in der UdSSR dem Verruf der SED und der Kommunisten. Insbesondere antikommunistische Kreise der Rosa-Luxemburg-Stiftung bestimmen seitdem die Geschichte, wobei sie eng mit der Bundeszentrale für politische Bildung zusammenarbeiten und andere Meinungen unterdrücken. Soweit zur Frage: Warum erst jetzt?
Es ist richtig, so wie Gerhard Feldbauer die Köpfe der Wühlarbeit gegen die DDR zu zeigen und jene zu benennen, die die Drecksarbeit im Dienste des Kapitals machten, denn wir haben »nicht alle mitgemacht«. Wichtiger aber noch ist zu zeigen, welche verqueren Ideen hinter ihnen stehen. Die Staatsführung der DDR hatte sich (was eigentlich normal sein sollte) auf einen Kreis von Wissenschaftlern gestützt, der nur an sein eigenes Renommee, nicht aber daran dachte, in wessen Dienst er stand. Es sind grundlegende sozialdemokratische weltanschauliche Fragen, mit denen nicht im Sinne der Sache und des Volkes umgegangen wurde, die letztlich zum Untergang der im sozialistischen Staatenbündnis Sowjetunion vertretenen Staaten und folgerichtig auch der DDR führten.
Veröffentlicht in der jungen Welt am 28.01.2020.