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Leserbrief zum Artikel Konterrevolution: Vorhersehbarer Verrat vom 10.01.2020:

Fehlentwicklungen erkennen

Es geht bei dem Artikel, der interessante Details enthält, aber auch nicht in allen Details richtig sein muss, viel zu sehr um die Frage, ob die DDR sich politisch 1989/90 hätte halten können oder nicht.
Es gibt mehrere Grundprobleme:
– Mit dem Machtwechsel 1964 übernahmen in der KPdSU Kräfte die Macht, die jeglichen ökonomischen Reformen gegenüber feindselig eingestellt waren. Das System des sowjetischen Sozialismus trat in eine lang anhaltende Stagnationsphase ein, die auch von einer ideologischen Aufweichung oder Entleerung geprägt war.
– In der DDR fiel das dann zusammen mit der Machtübernahme durch Honecker. Honecker hatte durchaus diverse Verdienst (außen-, kulturpolitisch usw.). Aber in der Wirtschaft wurde nur noch – relativ spät – reagiert und weniger agiert. Das sehr erfolgreiche Konzept der chinesischen sozialistischen Marktwirtschaft hätte (und es wurde unter der Hand auch so behandelt) in der DDR als revisionistisch gegolten.
– Die SED (und auch die KPdSU und auch alle anderen osteuropäischen Verbündeten – selbst der Bund der Kommunisten Jugoslawiens – verloren zunehmend nach der Machtergreifung Gorbatschows die Kontrolle über die gesellschaftlichen Prozesse. Die Fälschung der Wahlen im Mai 1989 war der Ausdruck eines fortschreitenden Niedergangs (das reale Wahlergebnis von 65 bis 70 Prozent wäre ein exzellente Legitimation der DDR-Machtstrukturen gewesen) der SED!

– Die Person Gorbatschows (man sollte trotz der Beschleunigung des Machtverlustes der KPdSU nicht alle Schuld auf ihn abladen. Der Niedergang begann mit Breschnew) war den komplizierten Prozessen in keiner Weise gewachsen. Wenn er später – ziemlich opportunistisch und eitel – behauptete, dass er den Kommunismus beseitigen wollte, ist auch das gelogen. Er war einfach ein Versager und unfähig, einen Staat wie die Sowjetunion zu regieren. Die einzige wirkliche Qualität, die er vorweisen konnte (wie auch Breschnew), war seine ausgeprägte Eitelkeit.
– Gregor Gysi (auch er ist absolut nicht frei von einer entwickelten Eitelkeit) war zu keinem Zeitpunkt geeignet, eine revolutionäre sozialistische Partei zu führen. Wenn ihm eine Sozialdemokratisierung der SED/PDS vorschwebte, dann zeigt es, dass er die unheilvollen geschichtlichen Wirkungen der SPD auf Deutschland (1914, 1918/19, 1933, die Westorientierung in den 1950ern) nie verstanden hatte. Vielleicht war es ihm auch egal.
– Es gibt keine (auch keine regierende) marxistische Partei, die nicht auch dramatische Fehler beging. Das ist nicht das Problem! Das Hauptproblem ist, die Fähigkeit zu erlangen, Fehlentwicklungen möglichst frühzeitig zu erkennen und auf der Seite der werktätigen Menschen zu bleiben. Große Bündnisse mit allen, die zeitweilig oder permanent Verbündete sein können, gehören zur Qualifikation, um die Macht zu entwickeln.
In unserer spezifischen Gegenwart muss eine revolutionäre Partei die diversen sozialen Widersprüche einerseits, aber auch dramatische Entwicklungen in der Natur erkennen und handeln.
Es gibt keine reinen »roten« Parteien mehr, sondern nur noch »rot-grüne«. Das sind wir den Menschen – allen (auch denen, die sehr begriffsstutzig sind, und das sind noch viel zu viele) – schuldig. Jeder Sozialismus muss eine Ökosozialismus sein!
Achim Lippmann
Veröffentlicht in der jungen Welt am 21.01.2020.
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