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Leserbrief zum Artikel Faschistischer Terror: Anschlag an Jom Kippur vom 10.10.2019:

Gewaltiger Nachholbedarf

Die Morde von Halle erschüttern zutiefst und sind durch nichts zu rechtfertigen. Sie machen sprachlos und lassen uns verzweifeln. Und es werden nicht nur gefühlt mehr und mehr solche Taten. Die Aufregung ist groß, und niemand aus der großen Politik vergisst, sich in der Sache zu positionieren. Hier tritt ein schlimmes Symptom zu Tage, welches auf krasseste Art den Zustand unserer Gesellschaft beschreibt. Wenn wir uns nicht endlich besinnen, zu sozialer Gerechtigkeit in unserem System zurückzufinden, stoßen rechte Gesinnung und Terror mehr und mehr auf nahrhaften Boden. Und genau an dieser Stelle zeigen ausnahmslos alle unsere großen Parteien kollektives Versagen. Um die wirklich Schwachen in unserer Gesellschaft, Kinder, Renter, Wohnungslose, kümmert sich keiner mehr wirklich. Strukturschwache Regionen sind nicht nur abgeängt, sie werden von der großen Politik mit all ihren Problemen gar nicht mehr wahrgenommen. Hier und da verirrt sich vor Wahlen jemand dorthin, um »Reststimmen« abzufischen. Die Quittung werden wir mehr und mehr bekommen. Gefühlt kommt als nächstes »Schwarz-Grün« – und dann möglicherweise »Braun«. Die nahezu vollständig abhandengekommene Solidarität innerhalb des Volkes lässt die Welt nur noch in Gewinner und Verlierer einteilen, für mehr ist emotional kein Platz mehr. Einzelne Hypes wie der momentan um das Klima erreichen vielleicht noch die Massen und erleichtern dem Staat die Einführung neuer Steuern, ohne wirklich etwas gegen unseren negativen Einfluss auf die Umwelt tun zu müssen – ein exekutiver Glücksfall, wie es ihn kaum auf der Welt gibt. Aber Hauptsache, das unendliche Wachstum ist gesichert. Dabei lassen sich ewiges Wachstum (Profitstreben) und ein verantwortungsbewusster Umgang mit der Umwelt (und im übrigen auch mit den Bürgern) nicht kompromisslos vereinbaren. Auf das Nötige konzentrieren wir uns nicht. Alte Sprichwörter sagen, dass ein voller Bauch nicht jammert. Wenn sich die Gesellschaft also in der Lage sehen würde, einzurichten, dass jeder Bürger mit seinem Einkommen auch auskommen könnte, werden sich auch die gezeigten radikalen Symptome vermindern. Einzelne Irre wird es immer geben. Zudem hat Deutschland durchaus gute Gesetze, die es einfach nur konsequent, zügig und unabhängig von Herkunft, Stand und Ansehen der Person umzusetzen gilt. Aber selbst dazu sieht sich der Staat schon seit Jahrzehnten nicht mehr in der Lage. Jetzt wird gefragt: Und woher kommt das nötige Geld? Die Antwort ist ganz simpel: Unser »Engagement« in bezug auf militärische Operationen außerhalb unseres Staatsgebietes, die uns auch GG folgend eigentlich gar nichts angehen, sollte auf Null zurückgefahren werden. Unter dem Begriff »Verteidigung« versteckt unsere Regierung ureigenste Kapitalinteressen und ermöglicht profitable Waffengeschäfte mit Personenkreisen, denen man lieber nicht im Dunkeln begegnen sollte. Und das ist nur die wichtigste vieler auch anderer steuerlicher Möglichkeiten gerade auch in bezug auf unsere Oberschicht. Hier müssen wir ansetzen, und all die genannten Probleme könnten sich, symbiotisch verzahnt, lösen lassen. Außerdem sollten wir auch aufhören, der Welt zu erklären, wie Demokratie funktioniert. Wir haben dort selbst bereits jetzt schon höchsten Nachholbedarf.
Frank Dohrmann, Borkwalde/Lillestrøm (Norwegen)
Veröffentlicht in der jungen Welt am 11.10.2019.
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