»Ein Ort, um revolutionäre Ästhetik weiterzuentwickeln«
Interview: Niki Uhlmann
Ein Kunstkollektiv wird Werke in den Räumen der Maigalerie am Sitz dieser Zeitung in Berlin ausstellen. Am Freitag nachmittag sollen die Veranstaltungen zur Eröffnung beginnen. Worum handelt es sich beim »Roten Atelier«?
Es setzt sich aus Künstlerinnen und Künstlern sowie Gestalterinnen und Gestaltern verschiedener linker Gruppen aus ganz Deutschland zusammen. Offiziell gegründet haben wir uns bei der Rosa-Luxemburg-Konferenz 2024. Inzwischen sind wir eine stetig wachsende Gruppe, die versucht, der Arbeiterbewegung durch die Entwicklung einer klaren Bildsprache zu helfen. Wir nehmen viele Aufträge anderer Gruppen entgegen, helfen beispielsweise bei der Herstellung von Flugblättern oder Plakaten. Langfristig soll das Rote Atelier in der Tradition sozialistischer Propagandawerkstätten einen festen Ort bekommen, an dem gemeinsam gemalt, gedichtet und gebastelt, letztlich die revolutionäre Ästhetik weiterentwickelt werden kann.
Warum machen Sie das?
Es gibt unzählige kleine Gruppen mit unzähligen begabten Genossinnen und Genossen, die viel Herzblut in die sozialistische Agitation stecken. Diese wollen wir vernetzen. Ganz praktisch können dann Arbeitsmittel gemeinsam genutzt oder Ressourcen wie Schrifttypen ausgetauscht werden. Unerfahreneren Interessierten helfen wir dabei mit Skill-Sharing.
Statt alles selbst zu machen, gehen wir Designs lieber mit den Verantwortlichen durch. Andernfalls blieben sie abhängig von unserer Hilfe. Wichtig ist das auch, weil die Qualität sozialistischer Gestaltung in den letzten 30 Jahren unfassbar stark nachgelassen hat. So können übrigens auch Genossinnen und Genossen eingebunden werden, die womöglich keine Zeit oder Kraft haben, hauptverantwortlich große Projekte zu organisieren.
Welch Rollen spielen dabei Social-Media-Plattformen?
Gerade der digitale Raum stellt Linke vor die Herausforderung, Leute erreichen zu wollen, die durchgehend mit belanglosen Informationen bombardiert werden. In sozialen Medien schaut eine Person im Durchschnitt nur drei Sekunden einen Post an. In kürzester Zeit wird die Entscheidung getroffen, ob der Text, sei es ein Aufruf oder eine Stellungnahme, überhaupt gelesen wird. Darum ist ansprechendes Design so wichtig.
Was macht gute Bildsprache aus?
Manche lieben verspielte Schnörkel. Anderen sagt der konkrete Bauhaus-Stil mehr zu. Letztlich muss das Design dem jeweiligen Zweck des Projekts angepasst werden. Wenn ein möglichst breites Publikum zu einer Demonstration für Bürgerrechte mobilisiert werden soll, sollte man eher mit der Symbolik der roten Fahne arbeiten als mit Hammer und Sichel. Wenn es hingegen um eine Gedenkveranstaltung für Sozialistinnen und Sozialisten geht, kann auf die ganze Tradition der Arbeiterbewegung und ihre Symbolik zurückgegriffen werden. Zentral ist immer, dass sofort deutlich wird, wann und wo es worum geht.
Bis zum 19. September soll in der Maigalerie die Ausstellung unter dem Motto »Wir sehen rot« stattfinden. Warum gerade an dieser Adresse?
Dass die Wahl auf die Maigalerie fiel, hat mit unserer Gründung zu tun und mit unserer Präsenz auf den Rosa-Luxemburg-Konferenzen. Eine Kooperation mit jW verspricht darüber hinaus Prestige. Viele junge Sozialistinnen und Sozialisten wachsen mit jW auf, haben das Probeabo in der Jugend und werden später regelmäßige Leser. Außerdem unterstützt die Zeitung immer wieder linke Veranstaltungen.
Was lässt Sie rot sehen?
»Rot sehen« bedeutet für uns einerseits Wut. Wir sind wütend über die herrschenden Zustände, den kapitalistischen Alltag, den Genozid in Gaza, die imperialistischen Kriege und die Militarisierung der BRD, über die Klimakrise und die permanente patriarchale Gewalt. Andererseits ist »rot sehen« bereits Teil der Lösung. Rot ist unsere Farbe, die Farbe des Sozialismus. In der gegenwärtigen Krise wollen und werden wir die Hoffnung nicht aufgeben. So kommen in unserer Kunst sowohl Wut als auch Hoffnung zum Ausdruck. Bei der Ausstellung werden darum auch Spenden für den palästinensischen Rechtshilfeverein »3ezwa« und für die Kommunistische Partei Palästinas gesammelt.
LeMob ist als Künstler Teil des Kollektivs »Rotes Atelier«
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