Nicht intelligent, aber schnell
Von Susanne Knütter
Ziemlich sicher: Vor gut drei Jahren hat der eine oder andere Linke bei KI noch an Kommunistische Internationale gedacht. Das ist vorbei. Das Kürzel ist inhaltlich neu besetzt, vermutlich jeder geht bei KI jetzt von »künstlicher Intelligenz« aus. Wer sich allerdings damit auseinandersetzt, stellt fest, daran ist wenig künstlich und noch weniger intelligent. Hinter KI steckt Arbeit. KI-Systeme werden von Millionen von Menschen – zu Hungerlöhnen in Ländern ohne nennenswerten Arbeitsschutz – mit Informationen versorgt und trainiert, damit sie Aufgaben verlässlich bearbeiten und sinnvolle Antworten geben können. Straßenschilder werden mit Bedeutung versehen und mit Straßenszenen kombiniert, Stimmen auf Audiodateien werden Geschlecht und Alter zugeordnet, Begriffe mit anderen verknüpft (mit einem Löffel kann man essen, nicht schreiben). Je mehr Daten verknüpft werden, um so besser können die Antworten der KI werden. KI wird flexibler und möglicherweise überraschende Antworten geben, kann aber nicht in dem Sinne kreativ sein, dass sie etwas komplett Neues erschafft (Siehe etwa Seite 8 der Beilage). So zu tun, als handele es sich bei KI um eine eigenständige Intelligenz, ist im Interesse des Kapitals, das mit dieser Begründung schon jetzt massenweise Arbeitsplätze streicht, verdrängt und verlagert.
Nichtsdestotrotz, sind die Informationen erst verknüpft, ist die dahinterliegende Arbeit immer wieder abrufbar (Seite 3). Daraus ergibt sich das Potential, Abläufe zu vereinfachen und zu beschleunigen. Und allein dadurch neue Resultate hervorzubringen. In der Medizin etwa können Hochgeschwindigkeitskameras und KI-gestützte Analysesoftware bereits helfen, kranke oder gesunde Zellen zu identifizieren. Im Katastrophenschutz oder bei Serviceleistungen sind ähnliche Qualitätssprünge denkbar. Wer in den Genuss des Fortschritts kommt, bleibt jedoch freilich abhängig von der Zahlungskraft einer Person, Gruppe oder eines Staates.
Einen Einblick in den aktuellen Stand KI-gestützter Bilderzeugung liefert die Bildauswahl in dieser Beilage: Die Abbildungen sind skurril, verharmlosend und handwerklich schlecht. Die verwendete KI, Firefly, kennt bislang weder Personen wie Karl Marx oder Donald Trump noch Begriffe wie Klassenkampf oder künstliche Intelligenz. Die KI muss mit möglichst konkreten Informationen gefüttert werden – etwa blonde Frau für Giorgia Meloni. Blut kennt zumindest diese KI auch nicht. Dramatik wird in den Bildern ausschließlich durch Schreien ausgedrückt. Insofern ziehen die Bilder das Niveau der Beilage nach unten. Ein passendes Abbild sind sie trotzdem. Denn sie zeigen: Wie gut oder effektiv KI ist, hängt davon ab, womit sie trainiert wird (Seite 7).
Und das wiederum hängt auch von den Interessen der KI-Provider ab. In den kapitalistischen Zentren gibt es höchstwahrscheinlich wenig Interesse an der Reproduktion von Informationen etwa zur Emanzipation der Arbeiterklasse. In China dagegen wird von den dortigen KI-Modellen die Einhaltung der »sozialistischen Grundwerte« erwartet (Seite 6).
Mehr Orientierung, Richtung und Kontrolle dessen, was mit KI angestellt wird, wäre wichtig. Und tatsächlich hat der US-Senat kürzlich mit sehr großer Mehrheit das geplante zehnjährige Verbot der KI-Regulierung aus dem Megagesetz von Donald Trump gestrichen. Eine Begrenzung, etwa bei der Privatisierung der stetig wachsenden Datensätze, muss das trotzdem nicht bedeuten (Seite 2).
KI bedeutet potentiell weniger Eigenständigkeit als vielmehr Kontrollverlust. Das ist derzeit ausgerechnet dort der Fall, wo Kontrolle oberstes Prinzip sein sollte: im Krieg. Täglich neue Modelle unbemannter Systeme und Softwareupdates im Ukrainekrieg, die Reaktionen auf der Gegenseite provozieren. Ethische Reflexionen bleiben dahinter zurück – ungewollt wie gewollt. KI-basierte Hinrichtungen? In Gaza längst der Fall.
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