Gegründet 1947 Mittwoch, 24. Dezember 2025, Nr. 299
Die junge Welt wird von 3063 GenossInnen herausgegeben
Aus: Ausgabe vom 24.12.2025, Seite 15 / Antifaschismus
Antikommunistisches Denkmal

Zu dicht an den Nazis

Kanada: Denkmal für »Opfer des Kommunismus« in Ottawa soll keine Gravuren mehr erhalten. Hunderte mutmaßliche Faschisten und Kollaborateure sollten geehrt werden
Von Marc Bebenroth
15.jpg
»Stilles« Gedenken: Bereits eingravierte Namen wurden mit Platten abgedeckt (Ottawa, 15.12.2024)

Wer nach diesem Denkmal bei den üblichen Onlinekartendiensten sucht, muss vorher wissen, wo es steht. Inmitten einer Grünanlage vor dem Parliament Hill, an der die mehrspurige Wellington Street vorbeiführt, befindet sich seit gut einem Jahr das kleine Areal. Hohe Zäune wurden um die drei Elemente errichtet. Etwas abseits zweier Wellenwände aus Metallröhren, die den »Arc of Memory« bilden, steht die flach gehaltene, breite Steintafel. Hier, in der Innenstadt Ottawas, hatte die kanadische Regierung für insgesamt 7,5 Millionen kanadische Dollar ein Denkmal für »die Opfer des Kommunismus« mit dem Zusatztitel »Kanada, ein Land der Zuflucht« errichten lassen. Ursprünglich geplant war offenbar, insgesamt 533 Namen einzugravieren. Darauf werde man verzichten, wie das Ministerium für Kanadisches Erbe (Department of Canadian Heritage) vergangene Woche mitteilte. Mehr als die Hälfte hätten Verbindungen zu den Nazis oder zu faschistischen Gruppen.

Seit Jahren gewarnt

»Die kanadische Regierung wird weiterhin dafür sorgen, dass alle Aspekte des Denkmals mit den kanadischen Werten in bezug auf Demokratie und Menschenrechte vereinbar bleiben«, hieß es in einer Mitteilung zur Einweihung vom 12. Dezember 2024. Dies wiederholte die Sprecherin des Ministeriums gegenüber dem Onlinekunstmagazin Hyperallergic laut einem Bericht vom Freitag. »Die Gedenkwand wird nun ausschließlich thematische Inhalte zeigen, die den umfassenderen Gedenk- und Bildungszweck der Gedenkstätte vermitteln.« Jahre vor der Einweihung der Gedenktafel sei die Regierung von jüdischen Gruppen und Historikern gewarnt worden, dass es sich bei den zu Ehrenden um mögliche Kollaborateure der Schoah handelte. In Kanada lebt die zweitgrößte ukrainische Diaspora weltweit. Zahlreiche Nazikollaborateure waren aus der Ukraine in das nordamerikanische Land geflohen.

Die Initiative hinter dem Denkmal ging von der 2008 gegründeten privaten und als gemeinnützig anerkannten Organisation »Tribute to Liberty« aus. Sie werde »von einem neunköpfigen ehrenamtlichen Vorstand geleitet, der wichtige ethnokulturelle Gemeinschaften in Kanada vertritt, die vom Kommunismus betroffen waren«, hatte die Regierung zur Einweihung weiter mitgeteilt. Gegründet worden ist die Organisation von Philip Leong, der bei den Bundeswahlen im Jahr 2000 als Kandidat für die rechte Partei Canadian Alliance angetreten war. Zu dem Denkmal steuerte »Tribute to Liberty« nach Regierungsangaben 1,5 Millionen kanadische Dollar bei. Auf Nachfrage von Hyperallergic zu den möglichen Naziverbindungen sei mitgeteilt worden, dass »kremlnahe Aktivisten und Kommentatoren in Kanada« unermüdlich »Desinformationen« verbreitet hätten, die sich »gegen die Diaspora-Gemeinschaften aus Mittel- und Osteuropa« richte.

Bereits im Jahr 2021 sei dem Ministerium in einem Gutachten dazu geraten worden, mehr als 330 der geplanten Namen nicht für das Denkmal zu berücksichtigen, wie der Ottawa Citizen am 7. Oktober 2024 unter Verweis auf die Antwort einer Informationsfreiheitsanfrage berichtet hatte. Demnach sei die Streichung jener Namen empfohlen worden, da nicht ausreichend Informationen über diese Personen oder Organisationen vorgelegen hätten und unklar gewesen sei, ob sie Verbindungen zu den Nazis oder faschistischen Organisationen hatten. Einzelne geplante Einträge hätten auch gestrichen werden können, da sie keinen direkten Bezug zu Kanada hätten, berichtete das Blatt weiter. Dem Bericht von Hyperallergic zufolge standen zunächst Namen auf der Steintafel, die vor der Einweihung entfernt worden waren, darunter der eines Janis Niedra. Niedra stand demnach offenbar in Verbindung mit einem Massaker an 350 Jüdinnen und Juden in Lettland.

Ursprünglich sollte das Denkmal bereits im November 2023 eingeweiht werden. Das war um über ein Jahr verschoben worden, nachdem im kanadischen Parlament während eines Besuchs des ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenskij und unter Applaus der Anwesenden der damals 98jährige ukrainischstämmige Kanadier Jaroslaw Hunka als »ukrainischer und kanadischer Held« geehrt worden war, der für die »Unabhängigkeit von Russland« gekämpft habe. Bei Hunka, stellte sich schnell heraus, handelte es sich um ein Mitglied der Waffen-SS-Division »Galizien«. Für den Skandal musste der Präsident des kanadischen Unterhauses schließlich die Verantwortung übernehmen, der nicht gewusst haben soll, wer Hunka ist. Anthony Rota trat am 27. September 2023 von seinem Posten zurück.

Politisches Projekt

Aber schon die Konzeption des Denkmals war von scharfer Kritik begleitet worden. »Es gab keine öffentliche Konsultation darüber, diesen Standort für das Denkmal zu wählen«, hatte die Zeitung National Post in einem Bericht vom 9. März 2015 die Architektin Shirley Blumberg zitiert. Blumberg war demnach Mitglied der Auswahljury. »Ich denke, das ist der ungeheuerlichste Teil dieser ganzen Angelegenheit. Wir leben in einer Demokratie, nicht in einer Diktatur«, kritisierte sie gegenüber dem Blatt den Vorgang. »Es begann als eine sehr unparteiische Gruppe, wurde aber plötzlich sehr parteiisch«, sagte der ehemalige Ehrenvorsitzende des Projekts, Charlie Coffey, der National Post. Coffey sei auch wegen einer zunehmenden Politisierung des Projekts zurückgetreten. »Alle Beteiligten standen der Regierungspartei freundlich gegenüber«, erklärte er der Zeitung.

Friedenspropaganda statt Kriegsspielzeug

Mit dem Winteraktionsabo bieten wir denen ein Einstiegsangebot, die genug haben von der Kriegspropaganda der Mainstreammedien und auf der Suche nach anderen Analysen und Hintergründen sind. Es eignet sich, um sich mit unserer marxistisch-orientierten Blattlinie vertraut zu machen und sich von der Qualität unserer journalistischen Arbeit zu überzeugen. Und mit einem Preis von 25 Euro ist es das ideale Präsent, um liebe Menschen im Umfeld mit 30 Tagen Friedenspropaganda zu beschenken.

links & bündig gegen rechte Bünde

Jetzt den kostenlosen jW-Newsletter abonnieren – täglich das Beste aus der Tageszeitung junge Welt, direkt in Ihr Postfach. Ihre E-Mail-Adresse wird natürlich niemals an Dritte weitergegeben.

Ähnliche:

  • 03.12.2025

    Das Comeback der Minen

    Knapp 30 Jahre nach internationalem Verbotsvertrag treten sechs Länder aus. Auch die Opferzahlen steigen
  • Immerhin brachten die meisten Staatschefs noch ein müdes Lächeln...
    19.06.2025

    Gipfel der Zerstrittenheit

    In Kanada kamen G7-Staaten zusammen. Deutlich wurde vor allem ihre Uneinigkeit: Keine gemeinsame Erklärung zum Ukraine-Krieg

Mehr aus: Antifaschismus