Kapitulation in Osnabrück
Von Kristian Stemmler
Dass die IG Metall sich in ihrer Satzung zum Einsatz für »Frieden, Abrüstung und Völkerverständigung« verpflichtet hat, wird in der Führung der Gewerkschaft nicht immer so genau genommen. So nahm IG-Metall-Vize Jürgen Kerner ausgerechnet am Antikriegstag, am 1. September, an einer Konferenz des Handelsblattes teil, auf der Politiker und Konzernchefs die Profitaussichten der Rüstungsindustrie besprachen. Es würde daher kaum überraschen, wenn demnächst mit dem Segen der IG Metall in einem VW-Werk, in dem heute noch Cabrios vom Band rollen, der Rüstungskonzern Rheinmetall Militärfahrzeuge produziert.
Am Standort Osnabrück stellen rund 2.300 Beschäftigte VW-Fahrzeuge in Vollfertigungs- und Kleinserienproduktion her, etwa den Porsche 718 und das VW T-Roc Cabrio. Doch seit längerem ist unklar, wie es ab 2027 mit dem Werk weitergehen soll. Im Frühjahr sah sich eine Delegation von Rheinmetall die Anlagen schon mal an. Rheinmetall-Chef Armin Papperger bekundete danach Interesse an einer Übernahme. Das Werk sei gut geeignet, um dort etwa militärische Fahrzeuge herzustellen. Auch VW-Chef Oliver Blume zeigte sich »grundsätzlich für solche Themen« offen, sprich: für den Verkauf dieses und anderer Werke an Rüstungsfirmen.
Mittlerweile mehren sich die Anzeichen, dass es in Osnabrück bald soweit sein könnte. Mitte September machte Thorsten Gröger, IG-Metall-Bezirksleiter für Niedersachsen und Sachsen-Anhalt, nur leicht verklausuliert deutlich, dass er nichts gegen eine Übernahme des VW-Werks in Osnabrück durch Rheinmetall hätte. Wenn ein Werk »morgen etwas anderes produziert als heute«, sei das »keine Schließung«. Entscheidend sei: »Von guter in gute Arbeit ist immer besser als in Arbeitslosigkeit.«
In einem Interview in der Hannoverschen Allgemeinen (HAZ) setzte Stephan Soldanski, Erster Bevollmächtigter der IG Metall Osnabrück, am Sonnabend noch einen oben drauf. In Orwellscher Manier plädierte er für Rüstungsproduktion in Osnabrück und präsentierte sich zugleich als Pazifist. Er habe »nicht gedient« und lehne »grundsätzlich jegliche Formen von Krieg und Gewalt ab«, behauptete Soldanski, setze sich als Gewerkschafter »aktiv für Frieden und Gerechtigkeit ein«. »Rüstung ist ja nicht gleich Rüstung«, führte er aus: In der Rüstungsindustrie würden ja »auch viele Fahrzeuge und weitere Produkte für die Rettung von Menschen oder gar zur reinen Abwehr produziert«.
Scharfe Kritik erntete Soldanski postwendend vom Aktionsnetzwerk »Zukunftswerk Osnabrück«, einem Zusammenschluss von Gruppen, Initiativen und Einzelpersonen, die gegen die Militarisierung ihrer Heimatstadt kämpfen. In einer Mitteilung vom Sonntag bezeichnete das Netzwerk Soldanskis Behauptung, Rüstungsproduktion sei mit pazifistischen Grundsätzen vereinbar, als »gefährliche politische und begriffliche Umdeutung«. Die Rede von angeblich »defensiver Rüstung« sei Teil einer politischen Sprachregelung, »die Beschäftigte und Öffentlichkeit an Militarisierung gewöhnen soll«, heißt es weiter.
»Besonders entschieden« widerspreche das »Zukunftswerk« der Darstellung, Rüstungsproduktion liege im Interesse der Beschäftigten. Historisch sei das Gegenteil der Fall: Kriege seien immer auf Kosten der arbeitenden Bevölkerung geführt worden – durch steigende Ausbeutung, soziale Verelendung, Hunger und schließlich durch Verstümmelung und millionenfachen Tod an den Fronten, während andere profitierten. Erinnert wird in der Mitteilung auch daran, dass Osnabrück sich als »Friedensstadt« bezeichnet. Dort und in Münster wurde der »Westfälische Frieden« geschlossen, der den Dreißigjährigen Krieg beendete.
Das »Zukunftswerk« kritisierte auch Soldanskis Aussage, es sei »illusionär«, zu glauben, Beschäftigte und Gewerkschaft könnten Einfluss darauf nehmen, welche Produkte künftig im VW-Werk Osnabrück hergestellt werden. »Diese Haltung bedeute eine kapitulantenhafte Selbstaufgabe gewerkschaftlicher Interessenvertretung«, erklärte das Netzwerk.
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