Arbeiten bis zum Umfallen
Von Gudrun Giese
Nicht nur in den USA, sondern auch in der arbeitsrechtlich vermeintlich besser aufgestellten BRD übt sich der Handelsgigant Amazon in der Überausbeutung seiner Beschäftigten. Anlässlich der von der anderen Atlantikseite herübergeschwappten Rabattschlacht am »Black Friday« nehmen Gewerkschaften und NGOs die Praktiken des Unternehmens von Vielfachmilliardär Jeff Bezos besonders intensiv unter die Lupe.
Die Superrabattphasen um den »Black Friday« und »Cyber Monday« sind stets Anlass für Streiks, die die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi seit Jahren an den bundesdeutschen Amazon-Standorten organisiert. Dabei geht es darum, Tarifverträge über Entgelt und Arbeitsbedingungen auszuhandeln, welchen sich der Konzern beharrlich verweigert. Für die Beschäftigten gelte »angesichts von Arbeitsverdichtung und Willkürbezahlung das ganze Jahr ›Black Friday‹«, machte Verdi-Bundesvorstandsmitglied Silke Zimmer am Freitag klar. »Die Beschäftigten brauchen gute Arbeitsbedingungen und eine anständige Vergütung für alle, anstatt Bezahlung, wie es den Unternehmen gerade in den Kram passt.«
Auch Mitglieder des internationalen Bündnisses »Make Amazon Pay« sind dieser Tage verstärkt unterwegs, um die (potentielle) Kundschaft auf die gravierenden Mängel beim weltweit und auf vielen Wirtschaftsfeldern agierenden Konzern hinzuweisen. Am Leipziger Einkaufszentrum »Höfe am Brühl« hängten sie Plakate mit Slogans wie »Amazingly ausbeuterisch« oder »Streikrecht? Nicht bei uns!« auf. Amazon-Beschäftigte auf dem Weg zum Leipziger Logistikzentrum des Konzerns bekamen Solidaritätsbekundungen wie »Solidarische Grüße – Greetings to all workers« oder »Powerfull Strikes Worldwide« zu lesen. Die Aktivisten setzen sich für die Verteilung des gesamten Bezos-Vermögens an die Beschäftigten ein. Freya Schwarz vom Bündnis erklärte die Poster zum Gegenentwurf zur »Dauerwerbebeschallung« zum »Black Friday«. »Statt dessen zeigen sie, was hinter den Konsumversprechen der Konzerne steckt: Ausbeutung, Isolierung und Überwachung.« Im Leipziger Logistikzentrum müssten die Beschäftigten derzeit sechs Tage pro Woche arbeiten und dürften nicht in Urlaub gehen.
Beschäftigte und Unterstützer sind in diesem Jahr besonders aufgebracht, da das Amazon-Management erst vor wenigen Tagen seine menschenverachtende Profitlogik allzu deutlich demonstrierte: Im Fulfillment-Center des Konzerns in Erfurt-Stotternheim starb Mitte November während der Schicht ein Arbeiter auf der Toilette, der kurz zuvor erfolglos versucht hatte, sich bei seinem Vorgesetzten krankzumelden. Trotz des naheliegenden Zusammenhangs einer Erkrankung mit dem Tod des Mannes bestreitet Amazon jegliche Verantwortung, wie der MDR berichtete. Am Standort Leipzig war im Jahr 2022 ein Beschäftigter während der Arbeit verstorben, was nicht einmal eine kurze Arbeitspause auslöste. Und 2021 waren im US-amerikanischen Logistikzentrum in Madison County gleich sechs Beschäftigte zu Tode gekommen, weil die Vorgesetzten trotz einer Tornadowarnung den Betrieb nicht hatten evakuieren lassen, wie Verdi auf seiner Webseite informiert. »Amazon hat keine Skrupel«, sagte Aktivistin Schwarz zu den Todesfällen. »Der Mensch ist für den Konzern nichts wert.«
Während sich die Arbeiter in den Logistikzentren krank- oder gleich zu Tode schuften und ständiger Kontrolle ausgesetzt sind, wächst ihr Arbeitsaufwand immer weiter. Allein Amazon verschickt jährlich mehr als 800 Millionen Pakete an die Kundschaft, was die Überausbeutung der Lieferfahrer weiter anheizt, wie eine aktuelle Beschäftigtenbefragung von Verdi in dieser Woche belegt hat. Da immer mehr Bestellungen kostenlos retourniert werden und weitere Anbieter wie Shein und Temu ebenfalls beim Onlineversand mitmischen, geht dieser Massenkonsum zudem mit immer mehr Ressourcen- und Umweltzerstörung einher.
Streiks und Proteste anlässlich von »Black Friday« bis »Cyber Monday« finden weltweit statt. Die Aktionen richten sich gegen Arbeitsrechtsverletzungen, Umweltzerstörung und die Bedrohung der Demokratie durch Amazon, heißt es in einer Zusammenstellung von ATTAC Österreich. Global würden sich demnach Tausende an der Kampagne »Make Amazon Pay« beteiligen und ihren Protest auf die Straße bringen.
»Amazon steht für ein Wirtschaftssystem, das Profite über Menschen und planetare Grenzen stellt«, sagte Hanna Braun von ATTAC Österreich. Der Konzern »sollte daher in mehrere Geschäftsteile zerschlagen werden, um seine Monopolmacht zu begrenzen.« Zudem müssten global agierende Unternehmen stärker besteuert, zur Einhaltung von Arbeitsrechten und zu fairer Bezahlung gebracht werden. Ferner sei die Stärkung lokaler Betriebe und Händler als Gegengewicht nötig. Die reale Entwicklung geht in eine andere Richtung.
Friedenspropaganda statt Kriegsspielzeug
Mit dem Winteraktionsabo bieten wir denen ein Einstiegsangebot, die genug haben von der Kriegspropaganda der Mainstreammedien und auf der Suche nach anderen Analysen und Hintergründen sind. Es eignet sich, um sich mit unserer marxistisch-orientierten Blattlinie vertraut zu machen und sich von der Qualität unserer journalistischen Arbeit zu überzeugen. Und mit einem Preis von 25 Euro ist es das ideale Präsent, um liebe Menschen im Umfeld mit 30 Tagen Friedenspropaganda zu beschenken.
links & bündig gegen rechte Bünde
Jetzt den kostenlosen jW-Newsletter abonnieren – täglich das Beste aus der Tageszeitung junge Welt, direkt in Ihr Postfach. Ihre E-Mail-Adresse wird natürlich niemals an Dritte weitergegeben.
Ähnliche:
Peter Endig/imago14.11.2023Nach Amazon kommt DHL
Montage jW/MIS26.11.2022Todesfall bei Amazon
Anton Kramer17.02.2022Der Weg aus dem Schlamm