Für Rita, für alle
Von Carmela Negrete
Einige der Frauen haben selbst Gewalt erlebt und nicht nur politische Forderungen, sondern auch persönliche Geschichten und Emotionen mitgebracht. Am Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen versammelten sich in Berlin geflüchtete Frauen, Aktivistinnen und Unterstützerinnen zu einer Konferenz von »Women in Exile & Friends«, um über die Gefahren zu sprechen, mit denen insbesondere Frauen auf der Flucht in Deutschland konfrontiert sind.
Im Mittelpunkt stand die Erinnerung an Rita O., »eine Freundin, Schwester und Mutter zweier Kinder«, wie es in der Einladung zu der Veranstaltung am Dienstag hieß. Rita verschwand im April 2019 aus ihrem Heim in Hohenleipisch, ohne Jacke, ohne Geldbörse. Erst Monate später fand man ihre verkohlte Leiche in der Nähe der Unterkunft. Für viele der Frauen, die auf der Konferenz sprachen, ist dieser Fall mehr als ein tragisches Ereignis, nämlich ein Symbol dafür, wie schutzlos geflüchtete Frauen in den isolierten Lagern sind. Elizabeth Ngari, Mitgründerin von »Women in Exile«, brachte es gegenüber jW ruhig, aber prägnant auf den Punkt: »Es kann nicht sein, dass eine Frau verschwindet, aus einem Heim mitten im Wald, ermordet wird und fünf Jahre später niemand erklären kann, was passiert ist. Niemand.« Eine Person aus dem Verein Opferperspektive berichtete über den Stand der Ermittlungen und darüber, wie wenig die Öffentlichkeit davon erfährt.
Die Konferenz bot Raum für Frauen aus verschiedenen Ländern – Pakistan, Afghanistan, Kenia, Kamerun – sowie für eine kurdische Vertreterin. Sie sprach darüber, wie sie sich in Kurdistan organisiert haben, und darüber, dass Femizide nicht nur individuelle Taten seien, sondern Teil eines Systems patriarchaler Gewalt. Jede der Frauen brachte ihre eigene Geschichte mit, aber in ihren Worten lag ein gemeinsamer Kern: die Erfahrung, dass Gewalt nicht nur von einzelnen Männern ausgeht, sondern auch von den Strukturen, die sie umgeben; die Enge und fehlende Privatsphäre in den Unterkünften. Und die Angst. Vielen Geflüchteten droht unmittelbar die Abschiebung, und es gab Frauen, die erzählten, aus Angst davor nachts in den Wald zu fliehen und dort zu schlafen.
Besonders erschütternd waren Berichte darüber, wie Täter nach Übergriffen einfach in ein anderes Heim verlegt wurden. Die Plätze sind knapp, die Finanzierung ist unklar, und Brandenburg übernimmt die Kosten oft nicht. »Viele Frauen bekommen zwei, vielleicht drei Tage Schutz. Und dann? Dann sind sie wieder im Lager, wieder allein, wieder gefährdet«, so Ngari, die selbst vor vielen Jahren aus Kenia geflohen ist. Auch die aktuelle politische Lage verschärft die Unsicherheit. Die neue Bezahlkarte zwingt Geflüchtete, fast ohne Bargeld auszukommen, und macht sie im Alltag erkennbar und angreifbar.
»Der Rassismus hat ein neues Niveau erreicht: Eine Kassiererin spielte mehrmals ›Security‹ und forderte Frauen auf, ihre Taschen zu leeren, bevor sie bedient wurden«, erzählt Ngari. »Ich dachte, das passiert nur in Brandenburg, wo wir wissen, dass die Bevölkerung zunehmend fremdenfeindlich wird – aber es geschieht auch in der multikulturellen Metropole Berlin.« Und Rassismus sei nicht die einzige Herausforderung, mit der die Frauen konfrontiert sind. »Sie werden regelmäßig Opfer sexueller Übergriffe und Belästigungen. Das passiert in den Camps und in den Zügen.« Eine Frau erzählte, wie sie ihren Sitzplatz wechseln musste, um vor einem Mann zu fliehen, der sie belästigte. Der Mann folgte ihr. Natürlich fühlte er sich mutig, weil er wusste, dass niemand seine Stimme erheben würde, um diese Frau zu verteidigen – denn sie war diejenige, die »anders« war.
Am Ende der Konferenz richtete sich der Blick nach vorn. Die Teilnehmerinnen diskutierten, wie sie den Fall von Rita O. wieder stärker auf die politische Agenda bringen könnten. Eine Onlinekampagne soll Druck auf die Behörden ausüben; zusätzlich wird über unabhängige Finanzierungen beraten, um eine Anwältin zu beauftragen, die aktiv nachforscht, statt nur auf Informationen zu warten. Eine Gedenk- und Mahnplatte für Rita ist geplant – nicht im bereits geschlossenen Lager im Wald, sondern an einem Ort, an dem sie gesehen wird. »Rita darf nicht verschwinden, nicht noch einmal«, forderte Ngari. »Isolation ist Gewalt. Und wir werden weiter dagegen kämpfen. Für Rita. Für uns alle.«
Friedenspropaganda statt Kriegsspielzeug
Mit dem Winteraktionsabo bieten wir denen ein Einstiegsangebot, die genug haben von der Kriegspropaganda der Mainstreammedien und auf der Suche nach anderen Analysen und Hintergründen sind. Es eignet sich, um sich mit unserer marxistisch-orientierten Blattlinie vertraut zu machen und sich von der Qualität unserer journalistischen Arbeit zu überzeugen. Und mit einem Preis von 25 Euro ist es das ideale Präsent, um liebe Menschen im Umfeld mit 30 Tagen Friedenspropaganda zu beschenken.
links & bündig gegen rechte Bünde
Jetzt den kostenlosen jW-Newsletter abonnieren – täglich das Beste aus der Tageszeitung junge Welt, direkt in Ihr Postfach. Ihre E-Mail-Adresse wird natürlich niemals an Dritte weitergegeben.
Mehr aus: Feminismus
-
Eine bewegte und bewegende Geschichte
vom 28.11.2025