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18.11.2025, 18:55:25 / Inland
Klimaschutz

Polizei räumt Waldstück am Tagebau Hambach

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Auch der letzte Baum im Hambacher Forst muss der Gier und Rücksichtslosigkeit der Energielobby weichen (Kerpen, 18.11.2025)

Kerpen. In einem Großeinsatz hat die Polizei am Dienstag ein letztes von Aktivisten besetztes Waldstück am Braunkohletagebau Hambach im Rheinischen Revier geräumt. Einsatzkräfte holten mehrere Braunkohlegegner aus den Bäumen. Nach Angaben der Polizei befinden sich dort nun keine weiteren Aktivisten mehr. 14 Personen wurden aus dem betroffenen Bereich »begleitet«, sagte ein Sprecher der Polizei. Zwei der Aktivisten erhielten nach Feststellung der Identitäten einen Platzverweis, neun befanden sich am frühen Abend noch in Polizeigewahrsam. Die Polizei erstattete Strafanzeigen wegen des Verdachts auf Hausfriedensbruch. Zusätzlich nahm die Polizei weitere Strafanzeigen auf – unter anderem wegen Störung des öffentlichen Friedens sowie des Verdachts der Sachbeschädigung. Die endgültigen Zahlen zu den Anzeigen will die Polizei in den kommenden Tagen bekanntgeben. An dem Einsatz waren viele Beamte beteiligt, konkrete Zahlen wurden nicht genannt.

Die Aktivisten hatten von Beginn an Widerstand gegen die Räumung angekündigt. »Wir werden bleiben, solange wir können«, schrieb die Initiative »Lützerath lebt«. »Wir sind hier, um Wald und Natur vor den zerstörerischen Plänen von RWE zu schützen.« Dennoch war zu beobachten, wie sich die Polizei Stück für Stück in dem Areal vorarbeitete. Nachdem der Einsatz in den Morgenstunden begonnen hatte, waren am Nachmittag bereits weniger Einsatzkräfte vor Ort, wie ein dpa-Reporter berichtete. Der Großteil der Bäume sei im Tagesverlauf bereits gefällt worden. Auch am frühen Abend liefen die Fällarbeiten noch.

Aktivistinnen und Aktivisten hatten sich seit mehr als einem Jahr in dem nur noch sehr kleinen Waldstück westlich von Köln aufgehalten und dort Baumhäuser gebaut. Mit der Besetzung wollten sie die Abholzung des Wäldchens verhindern. Es war schon mehrfach zu Polizeieinsätzen gekommen. Das Waldstück trägt den ungewöhnlichen Namen »Sündenwäldchen« – warum es so heißt, ist nicht eindeutig belegt. Angeblich tummelte sich einst die Dorfjugend zwischen den Bäumen, um sich ungestört treffen zu können.

RWE will das etwa ein Hektar große Waldstück am Rande des Tagebaus roden, um Kies abbauen zu können. So soll die Böschung eines später dort geplanten Sees stabilisiert werden. »Alle Genehmigungen liegen vor. Die erforderlichen artenschutzrechtlichen Überprüfungen und Maßnahmen haben stattgefunden«, betonte der Konzern in einer Stellungnahme zum Beginn der Räumung. Man appelliere an die Aktivisten, »das Recht zu akzeptieren, sich nicht an gesetzeswidrigen Aktionen zu beteiligen und in einem möglichen Protest besonnen zu bleiben«, schrieb RWE weiter. »Gewalt ist vollkommen inakzeptabel.«

Um RWE die geplanten Arbeiten zu ermöglichen, hatte die Stadt Kerpen Ende September ein Aufenthalts- und Betretungsverbot für das Waldstück verhängt. RWE verfüge über alle rechtlichen Voraussetzungen und dürfe das Waldstück roden, heißt es darin. Doch weil sich die Aktivisten nicht an diese Verfügung hielten und trotzdem in dem Waldstück blieben, kam es nun zu dem Einsatz der Polizei. Die Räumung sei zunächst verzögert worden, weil mögliche Sprengvorrichtungen an den Bäumen entdeckt worden seien, sagte ein Polizeisprecher. Diese hätten von Spezialisten untersucht werden müssen. »Das waren aber alles nur Attrappen«, sagte er.

In ihrer Allgemeinverfügung vom September war die Stadt Kerpen davon ausgegangen, dass Aktivisten auf etwa einem Dutzend Bäume im Sündenwäldchen Baumhäuser oder Plattformen errichtet hatten. Diese seien gegen Regen geschützt und über Seile miteinander verbunden. Die Aktivisten seien damals dauerhaft mit fünf bis zehn Menschen im Wald gewesen, die regelmäßig abgelöst worden seien. Wie viele Aktivisten am Dienstag in den Baumhäusern waren, dazu äußerten sich auf Anfrage weder die Polizei noch die Aktivisten. Der Braunkohleabbau im Rheinischen Revier sorgt seit Jahren für Auseinandersetzungen zwischen Umweltschützern und der Polizei. Die Räumung von 86 Baumhäusern im Hambacher Forst im Jahr 2018 gilt als einer der größten Polizeieinsätze in der Geschichte Nordrhein-Westfalens.

Die Pläne von RWE für das Gebiet sehen vor, dass nach Beendigung des Kohleabbaus Wasser in das Tagebauloch eingeleitet wird, um es in einen Freizeitsee zu verwandeln. Die Waldbesetzer werfen RWE hingegen vor, mit dem See vor allem einen Jachthafen für Reiche bauen zu wollen. Sie argumentieren außerdem, dass es zur Stabilisierung der Böschung andere Möglichkeiten gebe, bei denen keine so folgenschweren Eingriffe in die Natur nötig wären. Die Umweltschutzorganisation BUND hatte auch vor Gericht versucht, die Rodung zu verhindern – aber ohne Erfolg. Das Oberverwaltungsgericht (OVG) in Münster hatte RWE bereits im Januar die Abholzung des Sündenwäldchens erlaubt. Warum angesichts der Klimakatastrophe überhaupt noch Wälder für den Braunkohleabbau gerodet werden, diese Frage lässt sich unter Hinweis auf geltendes Recht allein nicht beantworten. (dpa/jW)

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