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Aus: Ausgabe vom 24.11.2025, Seite 15 / Politisches Buch
Forschungen zur Arbeiterbewegung

Austerität und Austrofaschismus

In die Diktatur saniert: Neues Heft der Mitteilungen der Alfred-Klahr-Gesellschaft
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Systematische Verklärung: Sitzung des Völkerbunds im Kurhaus zu Lugano im Jahr 1928

In der neuen Ausgabe des Mitteilungsblatts der Wiener Alfred-Klahr-Gesellschaft wendet sich Adam Baltner gegen die »revisionistische Wende« in der Historiographie zur Geschichte des Völkerbunds, die diese nach dem Ersten Weltkrieg gegründete internationale Organisation unter dem Strich positiv bewertet. Dabei werde regelmäßig auch auf die Economic and Financial Organization (EFO) verwiesen, in der eine Vorgängerorganisation des Internationalen Währungsfonds, der Weltbank und auch der Europäischen Union gesehen wird. Baltner nimmt die EFO-Praxis in den Blick und zeigt, »wie die Austeritätspolitik des Völkerbunds dem Austrofaschismus den Weg ebnete«.

Der »finanzielle Wiederaufbau« Österreichs nach dem Weltkrieg sei »eine der bedeutendsten Episoden in der Geschichte der EFO«. In diesem Zusammenhang wurde, als 1922 die »Lebensfähigkeit« des aus dem Zerfall der Habsburger-Monarchie hervorgegangenen Staates ernsthaft in Zweifel stand, im Zuge der »Genfer Sanierung« auch der »erste Rettungsschirm« der neueren Geschichte aufgespannt, indem der Völkerbund Garantien für österreichische Staatsanleihen organisierte. 1932 folgte mit dem Lausanner Protokoll ein weiterer »Rettungsschirm«.

Beide Aktionen würden in der Literatur heute als große Erfolge hingestellt. Baltner hingegen arbeitet heraus, dass die Genfer Sanierung ein Austeritätsprogramm war, »das massive Kürzungen der Staatsausgaben und eine äußerst restriktive Geldpolitik vorsah«. Daraus ergab sich eine chronische Depression mit einer anhaltend hohen Arbeitslosigkeit, bis dann ab 1929 die Weltwirtschaftskrise die Lage weiter verschärfte: »Die Erste Republik brach kaum mehr als ein Jahrzehnt nach Genf und weniger als ein Jahr nach Lausanne zusammen und wurde durch den Austrofaschismus ersetzt.« Baltner zitiert aus einer Aufzeichnung des für die »Sanierung« zuständigen niederländischen Völkerbund-Kommissars Meinoud Rost van Tonningen von 1934, in der es heißt, man habe wie der österreichische Kanzler und der Finanzminister die »Ausschaltung des österreichischen Parlaments für notwendig gehalten, da dieses Parlament die Rekonstruktionsarbeit sabotierte«. In Anbetracht der Tatsache, dass »Regierungen und multilaterale Organisationen gerade jetzt erneut auf Austerität drängen, während die extreme Rechte immer stärker wird«, scheine eine Neubewertung des Völkerbund-Programms »dringend geboten zu sein«, so Baltner.

Außerdem in diesem Heft: Christian Kaserer über Walter Hollitschers Exil in London und Attila Pusat über die Emigration einer orthodox-pazifistischen Glaubensgemeinschaft aus dem zerfallenen Osmanischen Reich nach Sowjetrussland im Jahr 1921. (jW)

Mitteilungen der Alfred-­Klahr-Gesellschaft, Jg. 32/Nr. 3, 20 Sei­ten, 1,50 Euro, ­Bezug: Alfred-Klahr-­Gesellschaft, Drechslergasse 42, A-1140 Wien, E-Mail: klahr.gesellschaft@aon.at

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