Mit Kanonen auf Drohnen
Von Arnold Schölzel
Die Vorkämpfer des reaktionär-militärischen Staatsumbaus in den Regierungsparteien sind fast zufrieden. Am Mittwoch verabschiedete das Bundeskabinett einen Entwurf von Innenminister Alexander Dobrindt (CSU) zur Änderung des Luftsicherheitsgesetzes. Hauptpunkt: Erweiterte Befugnisse für die Bundeswehr. Im Juristendeutsch: »Das Erfordernis einer Entscheidungsfindung im Benehmen mit dem Bundesministerium des Innern entfällt. Die Änderung dient der Gewährleistung einer raschen Entscheidungsfindung (…) Die Streitkräfte sollen im Falle ihres Einsatzes auch Waffengewalt oder sonstige Wirkmittel gegen unkooperative Drohnen einsetzen dürfen.«
Die Drohnenhysterie der vergangenen Wochen hat so ein erstes Resultat. Allerdings bestehen Zweifel an dessen Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz. Das sieht bislang eine Trennung bei der Abwehr von Bedrohungen im Innern des Landes und denen von außen vor – für erstere ist die Polizei zuständig, für letztere die Armee. In Artikel 87a des Grundgesetzes heißt es: »Außer zur Verteidigung dürfen die Streitkräfte nur eingesetzt werden, soweit dieses Grundgesetz es ausdrücklich zulässt.« Das betrifft den Verteidigungs- und den Spannungsfall sowie Hilfe bei Naturkatastrophen oder »einem besonders schweren Unglücksfall«. Der soll nun bei Drohnensichtung vermutet und verhindert werden.
Den lautesten Rufern nach freiem Armeefeuer im Innern genügt das nicht. Der CDU-Bundestagsabgeordnete Roderich Kiesewetter verlangte schon Ende September die Ausrufung des Spannungsfalls, damit Drohnen von der Bundeswehr »sofort abgewehrt werden können«. Nebenbei tritt dann automatisch die allgemeine Wehrpflicht wieder in Kraft. Wer den Spannungsfall ausrufen will, benötigt aber eine Zweidrittelmehrheit im Bundestag und die ist seit den Wahlen am 23. Februar schwer zu haben.
Das treibt auch den Vorsitzenden des Verteidigungsausschusses, Thomas Röwekamp (CDU), um. Er erklärte am Donnerstag im Deutschlandfunk kurzerhand die »Trennung zwischen innerer und äußerer Sicherheit« für nicht mehr »zeitgemäß«. Da müsse eben das Grundgesetz geändert werden, was – siehe oben – in dieser Legislaturperiode nicht möglich sei.
Vollauf zufrieden zeigte sich die SPD mit dem Gesetzentwurf Dobrindts. Verteidigungsminister Boris Pistorius freute sich über eine Art Kriegstüchtigkeitsharmonie in der Koalition: »Wir sind alle gleichermaßen, einschließlich des Justizministeriums, der Auffassung, der Überzeugung, dass das, was wir jetzt in das Gesetz reingeschrieben haben, vollständig verfassungskonform ist.« Die Überflüssigkeit des Wörtchens »vollständig« besagt: Pistorius weiß, dass das Gegenteil richtig ist. Thüringens SPD-Innenminister Georg Maier stört das Grundgesetz ohnehin nicht. Er sagte dem Tagesspiegel nach der Ankündigung des Gesetzes durch Dobrindt bereits im Oktober: »Ich bin absolut dafür, der Bundeswehr mehr Kompetenzen zu geben.« Die dürfe ein bemanntes Flugzeug, das eine Gefahr darstelle, »abfangen, unbemannte Drohnen aber nicht. Das ist inkonsistent.«
Die Linken-Politikerin Clara Bünger hatte der Bundesregierung vorgeworfen, die Drohnenvorfälle zu instrumentalisieren, »um Panik zu verbreiten, das Grundgesetz auszuhebeln und die Gesellschaft zu militarisieren«. Die Abwehr von Gefahren im Inland sei laut Grundgesetz eindeutig Aufgabe der Polizei. »Wer hier Kompetenzen verschiebt oder die Abwehr von Drohnen militärisch regeln will, weicht die Trennung von innerer und äußerer Sicherheit auf – und riskiert den Bruch der Verfassung.« Der ist nun auf dem parlamentarischen Weg.
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