Drohnen in Dauerschleife
Von Michael Merz
Die nicht enden wollenden Berichte über immer neue Sichtungen von Drohnen vermitteln den Eindruck, der Himmel über deutschem Land sei von surrenden Schwärmen überzogen wie bei einer apokalyptischen Heuschreckenplage. Bild meldete gar am Wochenende, die Häufung von nicht identifizierten Objekten über Flughäfen, Häfen, Rüstungsbetrieben und Militäranlagen werde zum ersten großen Fall für den neu geschaffenen »Nationalen Sicherheitsrat« im Kanzleramt. Schlauer wird die Bevölkerung daraus sicher nicht. Wie das Springer-Blatt weiter verlauten ließ, könnten Geheimdienste und Polizei eine russische Urheberschaft der Vorfälle derzeit »weder bestätigen noch ausschließen«. Teilweise sei nicht einmal klar, ob es sich um Drohnen oder um Kleinflugzeuge gehandelt habe.
Wegen vermeintlicher Flugobjekte rund um den Flughafen München war der Betrieb dort am Donnerstag abend eingestellt worden, knapp 3.000 Passagiere waren betroffen. Am Freitag abend wurden erneut fliegende Dinge bemerkt, der Betrieb musste abermals von Freitag auf Sonnabend unterbrochen werden. Diesmal waren 6.500 Passagiere betroffen. Dänische Flughäfen und Militäreinrichtungen hatten zuvor Alarm geschlagen, auch über Schleswig-Holstein seien vergangene Woche Drohnen gesichtet worden. Am größten deutschen Flughafen in Frankfurt am Main war am Freitag ebenfalls eine gesehen worden. Ein Hobbydrohnenpilot hatte dort mit einem kurzen Testflug einen Polizeieinsatz ausgelöst.
Mit markigen Statements bringen sich nun Politiker an die vorderste Medienfront. Die Polizei solle »bei akuter Gefahr Drohnen sofort abschießen«, so das Rezept von Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU). Hessens Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) will »Geld in die Hand nehmen«, denn sein Land habe in rechtlicher Hinsicht bei der Drohnenabwehr bereits jetzt eine Vorreiterrolle. Das Land habe im Polizeigesetz bereits 2024 wirksame Antidrohnenmaßnahmen ermöglicht. Und Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) möchte das Schlachtfeld für seine Truppe im Inland erweitern: »Die Bundeswehr soll künftig auch Flugkörper außerhalb ihrer örtlichen Zuständigkeit abwehren können, wenn die Polizei sie in besonderen Fällen um Amtshilfe bittet«, sagte er dem Handelsblatt (Sonntagausgabe).
Die frisch geschürte Angst vor Drohnen kommt der Bundeswehr gelegen. Lange Jahre hatte sich die Debatte hingezogen, ob sie ihre unbemannten Flugobjekte mit Munition ausstatten dürfe. Dann im April dieses Jahres der eher unbemerkte Kurswechsel: Die deutsche Armee wird moderne und mit Sprengsätzen versehene Angriffsdrohnen bekommen. Bisher hatte sie nicht über diese teilautonomen Waffensysteme verfügt. Die Kampfdrohnen sollen laut FAZ von den beiden Münchner Unternehmen Helsing und Stark produziert werden. Über ein weiteres Startup, bei dem die Kasse klingeln wird, berichtete die FAS am Wochenende: Die kleine Firma Tytan aus München hilft bereits der Ukraine gegen russische Luftangriffe. Bald könnten die fronterfahrenen Bayern mit ihrer Drohnenabwehr demnach auch die Bundeswehr zum Schutz ihrer Areale ausstatten.
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