Luxusgut Gesundheit
Von Oliver Rast
Ja, ja, es seien Optionen. Mehr nicht. Bundesgesundheitsministerin Nina Warken erwägt demnach »weitere Belastungen für gesetzlich Versicherte«, berichtete die Frankfurter Rundschau am Mittwoch. Schließlich sei das Finanzloch der Kassen abgrundtief; allein im kommenden Jahr dürfte das Defizit eine zweistellige Milliardenhöhe erreichen. Freilich, da liegt nichts näher, als Patienten als Kostentreiber zu identifizieren – und zur Kasse zu zitieren.
Nun, was erwägt die ministerielle Geldeintreiberin genau? Es brauche etwa »eine Steuerung von Facharztbesuchen« – mittels einer neuen Form einer Praxisgebühr, so die CDU-Politikerin. Auch höhere Zuzahlungen für Medikamente in Apotheken nimmt sie in den Blick. Denn die seien seit zwei Jahrzehnten stabil, während »viele andere Dinge teurer geworden sind«. Völlig logisch, hier weiter an der Preisschraube zu drehen.
Und wir erinnern uns: Eine Praxisgebühr für Arztbesuche gab es für ordinäre Kassenpatienten schon einmal – von 2004 bis Ende 2012. Pauschal zehn Euro pro Quartal. Der »Einspareffekt«: gleich null. Um so größer – sprich teurer – war der Verwaltungsaufwand. Der kalkulierte Nebeneffekt trat hingegen ein: Die Zahl der Arztbesuche ging zurück. Mit der Folge, dass medizinisch sinnvolle Vorsorgetermine oder Behandlungen ausblieben.
Die gesundheitspolitische Ressortchefin Warken will – selbstredend nur optional – eine Gebühr für den Praxiseinlass mit der Einführung des Primärarztsystems verknüpfen. Das Reizwort heißt: Patientensteuerung. Übersetzt: Erstkontaktvermeidung. Arztgänger sollen über dieses Modell zuvorderst von Facharztpraxen ferngehalten werden. Und eh, bestenfalls läuft künftig vieles digital – nicht ambulant, nicht stationär. Oder wie Warken meint: »Ohne irgendein Steuerungselement geht es nicht.«
Mal ehrlich, die Planspiele aus dem »schwarz-roten« Bundeskabinett zielen auf Menschen mit geringem Einkommen, chronisch Kranke und Familien mit Kindern. Sie wären mehrfach belastet und müssten regelmäßig zahlen, wodurch sie überproportional getroffen würden. Zweiklassenmedizin par excellence. Das Risiko für das hiesige Gesundheitswesen steigt dann: Notwendige Arztbesuche werden aus Kostengründen verschoben oder ganz vermieden. Das führt wiederum langfristig zu schwereren Krankheitsverläufen und höheren Ausgaben für medizinische Eingriffe, Rehamaßnahmen und Therapien.
Übrigens: Geld ist da. In Deutschland wird pro Tag mehr als eine Milliarde Euro für die Gesundheitsversorgung ausgegeben. Zweitgrößter Kostenblock sind Arzneimittel. Bloß, wer legt sich mit Pillenpaten und Tabletten-Tycoons an? Warken keinesfalls.
Was bleibt? Das: Gesundheit ist kein Luxusgut, kein Privileg, sondern öffentliche Daseinsvorsorge. Für alle. Und Gesundheit ist kein Eintrittskartenverkauf. Kein Drehkreuz. Kein Kassenschalter. Wer krank ist, braucht Hilfe – sofort, direkt, ohne Umwege. Das ist die einzige Option!
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