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Aus: Ausgabe vom 20.11.2025, Seite 1 / Ansichten

Der Hierarch

Merz und das Stadtbild von Belém
Von Arnold Schölzel
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Regierungssprecher Stefan Kornelius (12.11.2025)

Dem Regierungssprecher Stefan Kornelius sei Dank. Er stellte am Mittwoch klar, was Friedrich Merz am 13. November vorm Handelsverband über das brasilianische Belém gesagt hatte. Kann zwar jeder nachlesen, aber Kornelius musste dennoch ran: Der Kanzler wird sich nicht entschuldigen und sieht keinen Schaden in den Beziehungen zu Brasilien. Er hat lediglich einen doppelten Baerbock geschlagen und mit dem Plattfußdiplomaten Johann Wadephul, der trotzig nicht nach Beijing flog, gleichgezogen.

Merz war am 7. November immerhin einige Stunden in dem 1,4-Millionen-Einwohner-Nest. Als die Vertreter der freien deutschen Presse dort laut Spiegel »von ihm etwas zur nicht enden wollenden Diskussion über seine Äußerungen zum Stadtbild in Deutschland wissen wollten, fragte er zurück, ob sie in Belém bleiben wollen würden«. Gewöhnlicher AfD-Dreck also. Aber am 13. November war der Kanzler bei einer Rede vorm Deutschen Handelstag so gerührt – von Deutschland, »einem der schönsten Länder der Welt«, und sich selbst –, dass er von der Reaktion der Journalisten erzählte: »Da hat keiner die Hand gehoben. Die waren alle froh, dass wir vor allen Dingen von diesem Ort, an dem wir da waren, in der Nacht von Freitag auf Samstag wieder nach Deutschland zurückgekehrt sind.« Nächster Satz: »Wir leben in einem der freiheitlichsten Länder der Welt, und es lohnt sich, unser Land, unsere Demokratie, unsere Wirtschaftsordnung auch zu verteidigen.« Schönheit und Krieg – das ist Merz-Deutschland.

Das sahen die deutschen Journalisten in Belém nicht anders. Jedenfalls gab ihm keiner was aufs Maul oder erhob gar Einwände. Kornelius ordnet nun an: Merz habe sich nicht »missfallend« oder »angewidert« geäußert, sondern lediglich in der Länderschönheitsfrage »eine kleine Hierarchisierung« vorgenommen.

Hierarchie bedeutet strenge Rangordnung, und bei der geht es hier um die eine Tasse, die Merz im Schrank hat: Deutschland ist kriegswürdig, weil schön und frei, Brasilien hässlich, unfrei und kriegsunwürdig. Danke, Kornelius! Danke, Brasilien!

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