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Aus: Ausgabe vom 19.11.2025, Seite 7 / Ausland
Gazakrieg

Fatah spekuliert auf Macht in Gaza

Der US-Plan zur Zukunft der Enklave wird im UN-Sicherheitsrat angenommen. Die Palästinensische Nationalbehörde zeigt sich erfreut
Von Gerrit Hoekman
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Handschlag mit dem »Friedenspapst«: Donald Trump und Mahmoud Abbas (13.10.2025)

Der UN-Sicherheitsrat hat am Montag die von den USA initiierte Resolution 2803 über die Zukunft des Gazastreifens angenommen. Nur China und Russland enthielten sich. Zunächst soll eine internationale Truppe den brüchigen Waffenstillstand absichern und die Hamas entwaffnen. Dann wird ein Komitee aus internationalen und palästinensischen Technokraten die Verwaltung und Erbringung von Dienstleistungen übernehmen. Die oberste Autorität im Küstenstreifen soll aber ein sogenannter Friedensrat innehaben. US-Präsident Donald Trump ist als Vorsitzender des Rats, dessen Mandat bis 2027 läuft, vorgesehen. Wer die weiteren Mitglieder sein werden, ist nicht bekannt. Der »Friedensrat« soll der UNO berichterstatten, ist in seinen Entscheidungen jedoch vollkommen unabhängig.

Die Hamas lehnt den Plan ab. In einer Erklärung sagte sie, die Resolution werde »den politischen und humanitären Forderungen und Rechten des palästinensischen Volkes nicht gerecht«. Statt dessen werde ihm »ein Mechanismus auferlegt, um die Ziele der Besatzung zu erreichen, die sie durch den Vernichtungskrieg« nicht erreichen konnte. Die Hamas warnte zudem, dass der Entscheid darauf abziele, den Gazastreifen vom Rest Palästinas zu isolieren.

Ganz anders als die Hamas reagierte die Palästinensische Nationalbehörde (Englisch: Palestinian Authority, PA) in Ramallah. Sie forderte die sofortige Umsetzung des Plans. »Der Staat Palästina begrüßte heute Abend die Annahme des US-Resolutionsentwurfs (…). In dem Entwurf werden die Einrichtung eines dauerhaften und umfassenden Waffenstillstands im Gazastreifen, die ungehinderte Lieferung humanitärer Hilfe und das Recht des palästinensischen Volkes auf Selbstbestimmung und die Errichtung eines unabhängigen Staates bekräftigt«, lobte WAFA, die amtliche Nachrichtenagentur der PA. Die Reaktion der Nationalbehörde ist keine Überraschung. In Ramallah regieren Präsident Mahmud Abbas und seine bürgerliche Fatah. Die islamistische Hamas ist ihr spinnefeind. Eine Entwaffnung der mächtigen Rivalin wäre die Erfüllung eines Wunsches, von dem die Fatah seit der Niederlage bei den palästinensischen Parlamentswahlen im Jahr 2005 träumt. Damals akzeptierte sie den Wahlsieg der Hamas nicht und forderte sie im Gazastreifen militärisch heraus. Am Ende obsiegten die Islamisten.

Die UN-Resolution bietet nun die Gelegenheit, die lästige Konkurrentin loszuwerden. Nach der Entwaffnung der Hamas wäre die Fatah wieder die mit Abstand wichtigste politische Organisation in Palästina. Die PA versteht sich als einzige legitime Vertreterin des palästinensischen Volkes mit Mahmud Abbas als Staatsoberhaupt. Laut den Umfragen würde die Fatah bei neuen Wahlen keine Mehrheit bekommen und der 90jährige Abbas abgewählt werden. Deshalb hat er in der Vergangenheit Neuwahlen stets mit fadenscheinigen Begründungen verhindert. Kritiker werfen Abbas vor, sich gegenüber Israel und den USA allzu willfährig zu verhalten. Wie am Montag vergangener Woche, als er Finanzminister Omar Bitar wohl auf Druck von außen entließ. Der Grund: Die PA entlohnt anscheinend palästinensische Gefangene nach ihrer Freilassung aus israelischer Haft fürstlich, was Israel sauer aufstößt. Die Entlassung des Finanzministers entbinde weder den Entlassenen, Mahmud Abbas, noch die PA »von ihrer Mitschuld an der Korruptionsaffäre und ihrer Verantwortung für die laufenden Zahlungen an Terroristen und deren Familien«, wetterte jedoch der israelische Außenminister Gideon Saar auf X.

Die PA macht zudem keinen Hehl daraus, dass sie ihre Herrschaft im besetzten Westjordanland so schnell wie möglich auf den Gazastreifen ausbreiten will: »Der Staat Palästina bekräftigte seine Bereitschaft, seine volle Verantwortung im Gazastreifen im Rahmen der Einheit von Land, Volk und Institutionen wahrzunehmen und betrachtet den Gazastreifen als integralen Bestandteil des Staates Palästina«, hieß es bei WAFA weiter.

Die marxistisch-leninistische Demokratische Front zur Befreiung Palästinas (DFLP) ist weniger optimistisch. Sie wies in einer am Dienstag von der palästinensischen Nachrichtenseite Maan verbreiteten Stellungnahme darauf hin, dass die Resolution die Gründung eines souveränen, palästinensischen Staates mit Ostjerusalem als Hauptstadt nicht explizit festschreibt. Die Organisation warnt vor der US-amerikanischen Kampagne, die den palästinensischen Widerstand gegen die israelische Besetzung als Terrorismus verunglimpfe, den brutalen Krieg aber ignoriere, den Israel seit mehr als zwei Jahren gegen das palästinensische Volk führe.

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