Schweiz stellt die Klassenfrage
Von Dominic Iten
Die Schweizer werden wieder einmal zu den Urnen gerufen: Am 30. November steht die Juso-Initiative zur höheren Besteuerung großer Erbschaften, auch »Zukunftsinitiative« genannt, zur Abstimmung. Der sozialdemokratische Nachwuchs möchte damit das Thema einer nachhaltigen Zukunft mit der Klassenfrage verbinden: Ab einem vererbten Vermögen von 50 Millionen Franken soll ein Steuersatz von 50 Prozent gelten, der Ertrag in klimafreundliche Projekte fließen. Die Steuer würde nur auf Vermögen erhoben, die weit über dem Durchschnitt liegen: Laut Initiativkomitee wären landesweit nur rund 2.000 Personen betroffen – weniger als 0,03 Prozent der Bevölkerung.
Trotzdem geht eine Welle der Empörung durch die bürgerlichen Reihen: Bundesrat und Parlament, Wirtschaftsverbände und liberale Professoren warnen eindringlich vor einer vermeintlichen »Beschädigung des Wirtschaftsstandortes«, wie sie immer wieder vorbringen. Einzelne Unternehmer drohen gar offen mit einem Wegzug. Peter Spuhler, Chef des international tätigen Schienenherstellers Stadler Rail, klagte, er werde aus der Schweiz »vertrieben«.
Gemäß Reto Föllmi, Professor für Volkswirtschaft an der Universität St. Gallen, würde die Schweiz bei einer Annahme der Initiative nicht nur den Boss von Stadler Rail verlieren: 75 Prozent der Milliardäre würden auswandern, alleine der Kanton Zürich hätte ein Minus von jährlich 340 Millionen Franken Steuerertrag hinzunehmen. Kurz gesagt: Die Erbschaftssteuer sei ein Eigentor, mit der Zukunftsinitiative würde die Schweiz nicht mehr, sondern weniger Steuern generieren.
Währenddessen positioniert sich die SPS lautstark hinter ihrer Jungpartei. Sie stört sich daran, dass »die meisten Menschen ihren Alltag nachhaltiger gestalten und ihre Emissionen senken«, während die »Superreichen immer mehr Treibhausgase verursachen«. Die »Zukunftsinitiative« würde jährlich Milliarden für den Klimaschutz bereitstellen und gleichzeitig die »extreme Vermögensungleichheit« bekämpfen. Tatsächlich spielt die SPS aber die Rolle der zahmen Konsenspartei.
Gemäß Tagesanzeiger hat die Fraktionsspitze in einem nicht veröffentlichten Strategiepapier eine »unternehmerfreundliche« Umsetzung der Initiative vorgeschlagen und ihr damit die schärfsten Kanten genommen. Mit ihrer »Zukunftsinitiative light« bereitet die SPS den Boden für eine harmlose Umsetzung – obwohl sie kaum angenommen werden dürfte. Laut Tamedia-Umfrage befürworten gerade einmal 31 Prozent der Stimmberechtigten das Anliegen.
Die SPS streckt also die Hand zum Kompromiss aus, statt den Klassengegensatz zu schärfen. In vorauseilender Bereitschaft entwaffnet die Parteispitze den Angriff ihrer Jungen – und wird damit die Erfolgschancen der Initiative kaum erhöhen. Sie anerkennt die bürgerlichen Warnungen, füttert die Panik, statt sie zu brechen – ein fatales Signal. Die Gegenseite operiert taktisch klüger, hat auch die »Zukunftsinitiative light« umgehend verworfen.
Geht es nach der SPS, sollen die betroffenen Erben die allfällige Steuerlast teilweise umgehen können, indem sie direkt in staatlich anerkannte Klimaschutzprojekte investieren und sich so bis zur Hälfte der fälligen Summe anrechnen lassen. Die Erbschaftssteuer müsste zudem nicht mehr zwingend in bar bezahlt werden, auch Firmenanteile, Immobilienbeteiligungen oder materielle Werte wären möglich. Die Erben behielten die Möglichkeit, ihre Anteile später zurückzukaufen. Ergänzt würde dieses Entgegenkommen durch großzügige Zahlungsfristen: Die verbleibende Steuerschuld könnte in Raten über bis zu 15 Jahre abbezahlt werden. Selbst ein moderater Angriff auf die Vermögendsten des Landes wird so von der SPS vorsorglich entschärft. Die Initiative gewinnt damit kaum an Akzeptanz – und an Wirkung schon gar nicht.
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