Hinter der Brandmauer
Von Daniel Bratanovic
Wenn das mit Kompetenzen nicht sonderlich üppig bedachte EU-Parlament Beschlüsse fasst, ist das in der Regel keine Nachricht wert. Das war am Donnerstag anders. Die Abgeordneten in Brüssel haben mehrheitlich für eine Aufweichung der bestehenden EU-Lieferkettenrichtlinie gestimmt. Über das Zustandekommen dieser Entscheidung geriet ihr Inhalt beinahe in Vergessenheit. Denn diesen Beschluss traf die konservative EVP-Fraktion zusammen mit Abgeordneten der extrem rechten Parlamentsfraktionen. Damit sei, so geht nun die Klage von Sozialdemokraten, Grünen und Linken, eine Brandmauer gefallen. Mag tatsächlich sein, dass damit die inoffizielle »Von-der-Leyen-Koalition« Geschichte ist und die Entscheidung einen Vorgeschmack gibt auf eine künftige Zusammenarbeit zwischen rechts und rechter. Wirklich überraschend ist das Verhalten nicht. Und das hat etwas zu tun mit Inhalt und Tragweite des Votums.
Die Herstellung komplexer Industrieware verlangt Ausgangsmaterial und Fertigungsschritte, die über den gesamten Planeten verteilt sind, bevor sie via Lieferkette zum Endprodukt vereint werden. Was da unter welchen schmutzigen Umständen von wem zu welchen elenden Bedingungen aus dem Boden gegraben und in Hallen zusammengeschraubt wird, unterlag lange nicht der geringsten Kontrolle. Da sich Kapitalinteressen in der Regel zwar immer durchsetzen, aber eben nie pur, hatte die EU im Rahmen ihrer »grünen« Agenda Unternehmen verpflichten wollen, Menschenrechts- und Umweltprobleme in ihren Lieferketten zu beheben, und ihnen bei Verstößen mit Geldstrafen von bis zu fünf Prozent des weltweiten Umsatzes gedroht.
Unter dem Gesichtspunkt größtmöglicher Gewinnerzielung war das vermessen. Die Industrie innerhalb der Europäischen Union ist längst ins Hintertreffen geraten, ihre Wettbewerbsfähigkeit gegenüber Konkurrenten aus den USA und vor allem aus China steht dahin. Die Beachtung von Umwelt- und Arbeitsstandards bei Zulieferern von irgendwo ganz weit weg ist, so betrachtet, teurer und aufwendiger Kokolores. Kapital schließt die Reihen und benötigt eine Politik von rechts und ganz rechts. Das ist, was sich hinter der Brandmauer offenbart.
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Leserbrief von Franz (14. November 2025 um 10:53 Uhr)Die Brandmauer haben sie schon mit dem dreckigen Frackinggas und dem Jubel über die größte Umweltkatastrophe, der Freisetzung großer Mengen Erdgas nach der Sprengung von Nordstream. Weiter gehts mit der umweltschädlichen Aufrüstung. Die Olivgrünen schaffen das.
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Leserbrief von Istvan Hidy aus Stuttgart (14. November 2025 um 10:18 Uhr)Auch hinter der sogenannten Brandmauer wirken letztlich alte Machtmechanismen: Kontrolle über natürliche Ressourcen, wirtschaftliche Stärke und die Deutungshoheit der Medien bestimmen nach wie vor die globalen Verhältnisse. Politische oder moralisch aufgeladene Regulierungen können diese Kräfte nicht einfach neutralisieren. Die EU versucht zwar, ihre Werte über Lieferkettenstandards weltweit durchzusetzen, doch ohne ökonomische Durchsetzungskraft bleiben solche Maßnahmen wirkungslos und schaden am Ende der eigenen Wettbewerbsfähigkeit. Europa hat sich durch jahrelange Fehlentscheidungen selbst geschwächt. Solange die strukturellen wirtschaftlichen Defizite nicht behoben werden, wirken moralische Appelle wie ein Luxus, den man sich eigentlich nicht leisten kann. So entsteht das Paradox, dass man aus moralischem Anspruch heraus Regeln schafft, die die eigene Position weiter schwächen – und damit letztlich den Kräften in die Hände arbeitet, von denen man sich eigentlich abgrenzen will.
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