Gegründet 1947 Montag, 22. Dezember 2025, Nr. 297
Die junge Welt wird von 3063 GenossInnen herausgegeben
Aus: Ausgabe vom 07.11.2025, Seite 16 / Sport
Beim Fananwalt

Schmerzhafte Erinnerung

Unterzeile_13pt
Von René Lau
Der Fananwalt_Logo ONLINE.jpg

Es gibt im Leben eines Fußballfans zahlreiche Ereignisse, an die er sich erinnert. Manche Eindrücke verblassen mit der Zeit, manche verstärken sich, manche bleiben für immer – nicht immer die positiven Dinge. Manches wird über Fangenerationen weitergetragen, etwa die Geschehnisse vom 3. November 1990. An diesem Tag reisten Fans des BFC Dynamo – damals FC Berlin – zum Auswärtsspiel nach Leipzig-Leutzsch.

Bereits am Vormittag gab es Auseinandersetzungen zwischen Fans und Polizei im Stadtinnern; im Vorfeld des Spiels setzten sie sich rund um den Bahnhof Leipzig-Leutzsch hinterm Gästeblock, teilweise auf den Gleisen, fort. Die sächsische Polizei, seit einem Monat Teil des bundesdeutschen Rechtsstaates, war völlig überfordert. So gab es den Befehl, auch von der Schusswaffe Gebrauch zu machen. In im Internet aufzufindenden Dokumenten ist sogar die Rede davon, dass es sich bei den abgegebenen 57 Schüssen um gezielte gehandelt haben soll. Mike Polley, ein Fan, wurde so schwer getroffen, dass er noch vor Ort verstarb. Andere Fans überlebten mit Glück. Eine vergleichbare Gewaltorgie von Polizisten gegen Fußballfans gab es so nicht wieder.

Polley war der erste Fußballfan, der durch Polizeigewalt starb. Eines Rechtsstaates unwürdig ging es weiter – keine Ermittlungen, keine gerichtlichen Verfahren, keine Verurteilungen. Sämtliche Verfahren gegen Polizisten wurden eingestellt, und zwar rasch. Kein Beamter ist je zur Verantwortung gezogen worden, kein Innenpolitiker hat je die Verantwortung übernommen.

Noch 35 Jahre später halten ältere und jüngere Fans die Erinnerung an Mike Polley und seine Tötung wach, erinnern bei Spielen des BFC Dynamo an das schreckliche Ereignis. Auch heute beim Heimspiel des BFC Dynamo gegen den FC Carl Zeiss Jena wird es so sein. Eine Frage steht dabei bleischwer im Raum: Wann wird die sächsische Polizei die Ereignisse aufarbeiten und sich ihrer Verantwortung stellen?

»Sport frei!« vom Fananwalt.

Friedenspropaganda statt Kriegsspielzeug

Mit dem Winteraktionsabo bieten wir denen ein Einstiegsangebot, die genug haben von der Kriegspropaganda der Mainstreammedien und auf der Suche nach anderen Analysen und Hintergründen sind. Es eignet sich, um sich mit unserer marxistisch-orientierten Blattlinie vertraut zu machen und sich von der Qualität unserer journalistischen Arbeit zu überzeugen. Und mit einem Preis von 25 Euro ist es das ideale Präsent, um liebe Menschen im Umfeld mit 30 Tagen Friedenspropaganda zu beschenken.

links & bündig gegen rechte Bünde

Jetzt den kostenlosen jW-Newsletter abonnieren – täglich das Beste aus der Tageszeitung junge Welt, direkt in Ihr Postfach. Ihre E-Mail-Adresse wird natürlich niemals an Dritte weitergegeben.

  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Franz S. (7. November 2025 um 10:06 Uhr)
    Was René Lau, der frühere Vizepräsident des BFC Dynamo, leider verschweigt: Der Tod des Fußballfans Mike Polley wird von rechten BFC-Fans regelmäßig instrumentalisiert. Der Spiegel schreibt am 01.08.2007 über diese Fans, die sich »seit 1979 verfolgt« fühlen (siehe jW vom 06.11.2020) und schon zu DDR-Zeiten auffällig waren: »Am 12. Mai 1984 griffen BFC-Fans in einem Zug ›26 kubanische Werktätige an‹, wie die Stasi vermerkte. Im November 1989 überfielen Berliner in Jena eine Tankstelle. Später überfielen jugendliche BFC-Fans ein Asylbewerberheim in Greifswald.« DW vom 03.10.2020: »›Schon vor der Wiedervereinigung lag die Macht in der BFC-Fanszene bei Rechtsextremen‹, sagt Robert Claus, Autor und Experte für Rechtsextremismus im deutschen Fußball: ›Die Behörden wussten nicht wirklich, wie sie mit ihnen umgehen sollten, weil sie nicht begreifen konnten, wie eine rechtsextreme Subkultur in einem antifaschistischen sozialistischen Staat wie der DDR überhaupt existieren konnte.‹ Was für einige als Provokation und Rebellion gegen die kommunistische Diktatur begonnen haben mag, wurde mit dem Mauerfall ernster. Und das Umfeld des BFC wurde zu einem Treffpunkt für Berlins rechten Flügel, Neo-Nazis, Hooligans und dem kriminellen Untergrund der Stadt, die sich am trüben Grund der Fußballpyramide sicher fühlen konnten. (…) ›Es gibt eine lange Geschichte von rechtsgerichteten, rassistischen Übergriffen und anderen Vorfällen rund um BFC-Spiele‹, sagt Claus. ›Der Klub weiß genau, wer seine Fans sind. Und selbst innerhalb des Klubs findet man Menschen mit Verbindungen zur Hooligan-Szene. Natürlich gibt es bei BFC auch Leute, die keine Hooligans oder Nazis sind, aber es existiert eine unglaublich homogene Unterstützung.‹«

Mehr aus: Sport