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Aus: Ausgabe vom 07.11.2025, Seite 16 / Sport
Beim Fananwalt

Schmerzhafte Erinnerung

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Von René Lau
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Es gibt im Leben eines Fußballfans zahlreiche Ereignisse, an die er sich erinnert. Manche Eindrücke verblassen mit der Zeit, manche verstärken sich, manche bleiben für immer – nicht immer die positiven Dinge. Manches wird über Fangenerationen weitergetragen, etwa die Geschehnisse vom 3. November 1990. An diesem Tag reisten Fans des BFC Dynamo – damals FC Berlin – zum Auswärtsspiel nach Leipzig-Leutzsch.

Bereits am Vormittag gab es Auseinandersetzungen zwischen Fans und Polizei im Stadtinnern; im Vorfeld des Spiels setzten sie sich rund um den Bahnhof Leipzig-Leutzsch hinterm Gästeblock, teilweise auf den Gleisen, fort. Die sächsische Polizei, seit einem Monat Teil des bundesdeutschen Rechtsstaates, war völlig überfordert. So gab es den Befehl, auch von der Schusswaffe Gebrauch zu machen. In im Internet aufzufindenden Dokumenten ist sogar die Rede davon, dass es sich bei den abgegebenen 57 Schüssen um gezielte gehandelt haben soll. Mike Polley, ein Fan, wurde so schwer getroffen, dass er noch vor Ort verstarb. Andere Fans überlebten mit Glück. Eine vergleichbare Gewaltorgie von Polizisten gegen Fußballfans gab es so nicht wieder.

Polley war der erste Fußballfan, der durch Polizeigewalt starb. Eines Rechtsstaates unwürdig ging es weiter – keine Ermittlungen, keine gerichtlichen Verfahren, keine Verurteilungen. Sämtliche Verfahren gegen Polizisten wurden eingestellt, und zwar rasch. Kein Beamter ist je zur Verantwortung gezogen worden, kein Innenpolitiker hat je die Verantwortung übernommen.

Noch 35 Jahre später halten ältere und jüngere Fans die Erinnerung an Mike Polley und seine Tötung wach, erinnern bei Spielen des BFC Dynamo an das schreckliche Ereignis. Auch heute beim Heimspiel des BFC Dynamo gegen den FC Carl Zeiss Jena wird es so sein. Eine Frage steht dabei bleischwer im Raum: Wann wird die sächsische Polizei die Ereignisse aufarbeiten und sich ihrer Verantwortung stellen?

»Sport frei!« vom Fananwalt.

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