Welche Bedeutung hat sie für linke Gegenöffentlichkeit?
Von Hendrik Pachinger
Die Coronapandemie konnte sie nur ausbremsen, nicht verhindern. Am Freitag startete zum 30. Mal die größte linke Literaturmesse im deutschsprachigen Raum. Worauf dürfen sich die Besucher der »Lit« in Nürnberg dieses Jahr freuen?
In diesem Jahr feiert die Linke Literaturmesse ihr 30. Jubiläum – drei Jahrzehnte linke Debatten, widerständige Bücher und solidarisches Miteinander. Über 70 Verlage und Veranstaltungen im Stundentakt stehen auf dem Programm: Lesungen, Buchpremieren, Gespräche über Theorie, Kultur und Politik. Drei Tage kollektives Nachdenken darüber, wie man in diesen Zeiten überhaupt noch links schreibt, liest und streitet. Ganz frisch gegründete Verlage und etablierte Player sind vereint. Auch wenn es vor allem deutsche Verlage sind, kommen mittlerweile auch Ausstellende aus Österreich, Italien, Frankreich und der Schweiz.
Worauf liegt 2025 der Schwerpunkt der bis einschließlich Sonntag geöffneten Messe?
Der ergibt sich aus den Veröffentlichungen der Verlage. In diesem Jahr sind der dramatische Rechtsruck, die Kriegsvorbereitung und ganz konkret der Krieg gegen die Palästinenser wichtige Themen. Ulrike Eifler wird die Frage um Frieden aus einer gewerkschaftlichen Perspektive beleuchten. Georg Auernheimer reflektiert den Antisemitismusbegriff und seine Verwendung als Repressionswaffe. Bernd Langer stellt seinen dritten Band zur Antifaschistischen Aktion vor, und auch Ralf Hoffrogge wird seine Erfahrung zur »Deutsche Wohnen und Co. enteignen«-Kampagne teilen. Es wird ein Podium mit ganz frischen Erfahrungen einer kubanischen Delegationsreise geben, und daneben erleben wir noch einen Nachklang zum 500. Jahrestag des Bauernkrieges mit mehreren Lesungen. Eher überraschende Themen sind die ideologischen Auseinandersetzungen in Nordkorea oder der Umgang mit Fehlgeburten.
Die vielen Neuerscheinungen beschränken sich längst nicht mehr nur auf Bücher. Immer mehr Verlage haben auch neue Comics und Zines im Angebot. Ist das gedruckte Buch bald nur noch an den Antiquariatsständen erhältlich?
Das Buch ist nicht tot, es hat nur ein raueres Leben. Es gibt mehr digitale Formate, Graphic Novels und Zines – das ist Ausdruck eines veränderten Leseverhaltens. Aber: Wir konnten 70 Verlage und Projekte gewinnen, vom traditionsbewussten linken Verlag bis zur frisch gegründeten Verlagsredaktion, vor allem in Deutschland, aber mittlerweile auch aus fünf weiteren Ländern. Das ist ein Ausstellerrekord. Die Bedingungen sind hart, die Budgets klein, doch die Leidenschaft bleibt groß. Wer hier ausstellt, macht Kulturarbeit gegen den Kapitalismus und gegen den Markt, nicht für ihn. Überleben muss er darin selbstverständlich trotzdem.
Während vielerorts langjährige linke Projekte zu kämpfen haben oder beendet werden, floriert die Messe. So ist beispielsweise auch das ND mit der neu gegründeten Genossenschaft präsent und will darüber sprechen, wie sich heutzutage eine linke Zeitung behaupten kann. In eine ähnliche Kerbe schlägt auch jW-Chefredakteur Nick Brauns mit einem Vortrag zum Thema Pressefreiheit in der BRD. Welche Bedeutung kommt der Messe für das Funktionieren einer linken Gegenöffentlichkeit zu?
Das ist keine Folkloreveranstaltung, sondern ein Ort, an dem Gegenöffentlichkeit praktisch wird. Im vorherigen Jahr kamen über 1.500 Besuchende. Während vielerorts linke Projekte verschwinden, schaffen wir Raum für Austausch, Vernetzung und möglichst solidarische Kritik. Wir sind gar nicht mal so wenige. Wir diskutieren weiter und halten Kriegsvorbereitung sowie Rechtsruck einen antikapitalistischen Entwurf entgegen. Das ist wichtig für die Qualifizierung linker Debatten, es ist aber auch wichtig für die Bewegung. Wir haben die Gedanken und das Handwerkszeug für eine linke Zukunft. Das ist nicht nur ermutigend, sondern macht auch Spaß.
Raphael Fleischer arbeitet in der Vorbereitungsgruppe der 30. Linken Literaturmesse in Nürnberg
Infos: www.linke-literaturmesse.org
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