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Aus: Ausgabe vom 04.11.2025, Seite 3 / Sport
Neues Sportfördergesetz

Ist der Entwurf ein Indiz für neue Kräfteverhältnisse?

Regierung legt neue Fassung für Sportfördergesetz vor. Geplante Agentur muss unabhängig sein, fordert Johannes Herber
Von Andreas Müller
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Schon wieder der Dackel Waldi? Eine neue Generation der Vierbeiner könnte nach dem Maskottchen benannt werden (München, 26.10.2025)

Bei einem Bürgerentscheid in München haben fast zwei Drittel der Befragten am 26. Oktober für eine Olympiabewerbung der Stadt votiert. Bis zu einem eventuellen Zuschlag durch das Internationale Olympische Komitee, IOC, für die Sommerspiele 2036, 2040 oder 2044 ist der Weg weit. Kritiker meinen mit Blick auf stetig weniger Medaillen, die Heimspiele könnten zum Desaster geraten.

Wo sollen künftige Olympioniken herkommen, wenn immer weniger Vereine Leistungssport anbieten, Talente sowie Trainerinnen und Trainer immer rarer werden – und wenn Sport in der Schule ständig ausfällt? Der Breiten- und Nachwuchsleistungssport macht mir große Sorgen. Man sollte außerdem den paralympischen Sport nicht übersehen, der bei uns im internationalen Vergleich immer noch als Anhängsel betrachtet wird.

Welche Bedeutung messen Sie dem Sportfördergesetz der Bundesregierung bei, dessen neuester Entwurf drei Tage vor dem Münchner Votum öffentlich wurde?

Das Gesetz steht im Kern der jüngsten Reformanstrengungen und wird einen wichtigen Beitrag zur Entwicklung des Spitzensports leisten. Der aktuelle Entwurf sieht beispielsweise vor, dass Verbände ihre Fördermittel weitaus flexibler einsetzen können als bisher oder dass sehr talentierte Athletinnen und Athleten mittels eines Individualbudgets direkt gefördert werden können. Herzstück des Gesetzes ist die Errichtung der Sportagentur, die für die Verbands- und Stützpunktförderung verantwortlich sein soll. Das Modell einer solchen zentralen Steuerungsinstanz hat in anderen Ländern funktioniert und ist für die zerklüftete deutsche Sportlandschaft sinnvoll. Entscheidend ist, dass diese Agentur tatsächlich unabhängig agieren und gestalten kann.

Deren Stiftungsrat sollen drei Mitglieder des Bundestages angehören sowie jeweils ein Vertreter des Deutschen Olympischen Sportbundes, DOSB, und der Sportministerkonferenz der Länder. Ein klares Statement gegen den Dachverband?

Ursprünglich hatte der Stiftungsrat noch 18 Mitglieder, wovon sechs Sitze auf den DOSB entfielen. Aus der radikalen Verschlankung im neuen Entwurf erkenne ich das richtige Anliegen, die Agentur agiler zu machen und dem Vorstand mehr Gestaltungsspielraum zu geben. Dafür spricht auch, dass das zweite Gremium, der Sportfachbeirat, keine verbindlichen Entscheidungskompetenzen mehr hat. Die Politik agiert nicht gegen den DOSB. Er hat selbst die Idee dieser Agentur lanciert und wiederholt glaubhaft versichert, zu deren Gunsten Einfluss abzugeben.

Den Entwurf lehnt der DOSB laut Mitteilung vom Freitag »entschieden ab«. Er wurde vom neuen Staatsministerium für Sport und Ehrenamt im Alleingang präsentiert. Ein klares Indiz für neuartige Kräfteverhältnisse?

Alle relevanten Stakeholder haben jetzt die Chance, ihre Verbesserungsvorschläge einzubringen. Ich bezweifle, ob es dem Entwurf zuträglich gewesen wäre, vorher Abstimmungen mit ausgewählten Akteuren vorzunehmen. Anstatt über neue Kräfteverhältnisse zu spekulieren, sollte im Zentrum stehen, wie dieses Gesetz den Spitzensport erfolgreicher machen kann. Neben strukturellen Weichenstellungen gehören vor allem die Menschen im System in den Fokus. Es gilt dringend, Athleten und ihre Trainer besser zu fördern und abzusichern. Die monatliche Basisförderung für Kaderathleten sollte signifikant auf 1.800 Euro erhöht werden.

Die Agentur soll 2027 starten und sukzessive ausgebaut werden. Bis 2031 sind 53 Planstellen vorgesehen und allein Personalausgaben von knapp 5,5 Millionen Euro pro Jahr. Was bekommt man für das Geld?

In einer Studie des Sinus-Instituts, die wir mit dem DOSB beauftragt haben, stuften mehr als drei Viertel der Bevölkerung die Förderung des Spitzensports als wichtig ein. Zugleich wurde deutlich, dass den Menschen der saubere Sport sehr wichtig ist sowie die Wertevermittlung durch Athleten als Vorbilder. Die Befragten machten deutlich, dass es ihnen um weit mehr als um Medaillen geht. Es braucht eine Strategie, die sportliche und gesellschaftliche Ziele sinnvoll in Bezug zueinander setzt und in Einklang bringt.

Johannes Herber ist Geschäftsführer der Interessenvertretung »Athleten Deutschland« mit aktuell rund 850 Mitgliedern aus über 60 Sportarten

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