Dem Westen die Stirn bieten
Von Volker Hermsdorf
Mit dem ersten Wirtschaftsforum in dieser bilateralen Konstellation haben Moskau und Caracas zu Beginn der Woche ihre strategische Partnerschaft vertieft. Das zweitägige Treffen auf der Luftwaffenbasis La Carlota in der venezolanischen Hauptstadt brachte mehr als 370 Unternehmen aus beiden Ländern zusammen, die neue Projekte in neun Schlüsselbranchen entwickelten – von Energie und Landwirtschaft über Technologie bis hin zu Finanzen und künstlicher Intelligenz. Die Veranstaltung fiel mit der formellen Ratifizierung des »Vertrags über strategische Partnerschaft und Zusammenarbeit« durch Russlands Präsidenten Wladimir Putin zusammen, der damit die zuvor von Venezuelas Staatschef Nicolás Maduro unterzeichnete Vereinbarung in Kraft setzte. Mit dem Abkommen wird die politische, wirtschaftliche und technologische Zusammenarbeit beider Länder für das kommende Jahrzehnt verbindlich festgeschrieben.
Geopolitische Tragweite
»Dieser Vertrag öffnet auf höchster Ebene neue Wege für Investitionen und Entwicklung«, erklärte Vizepräsidentin Delcy Rodríguez zur Eröffnung der größten Wirtschaftsveranstaltung seit Jahren. Ziel des Forums sei es, »eine neue Etappe des wirtschaftlichen Austauschs und der technologischen Zusammenarbeit« einzuleiten, sagte sie. Moskaus Botschafter Sergej Melik-Bagdasarow bezeichnete das Treffen als »deutliches Signal« von Partnern, »die unter erheblichem politischen und wirtschaftlichen Druck westlicher Staaten stehen, welche ihre Möglichkeiten für fairen Wettbewerb auf dem Weltmarkt ausgeschöpft haben«. Rodríguez verwies ergänzend auf die geopolitische Tragweite der Kooperation. Gemeinsam verfügten Russland und Venezuela über rund 24 Prozent der weltweiten Energiereserven und stünden damit an der Spitze der globalen Versorgung. Sanktionen gegen die venezolanische Ölindustrie oder gegen russische Energiekonzerne seien daher »ein fundamentaler Fehler der westlichen Staaten«, der seine Ziele verfehle. Russland wachse trotz der Maßnahmen mit einem Bruttoinlandsprodukt von über vier Prozent, während Venezuela laut Schätzungen der Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen für Lateinamerika und die Karibik (CEPAL) für 2025 ein Wachstum von bis zu 8,5 Prozent erwarte.
Kulturelle Begegnung
Das Forum in Caracas bot Unternehmen beider Länder Gelegenheit zu direkten Verhandlungen. In sogenannten Ruedas de Negocios wurden Projekte in den Bereichen Energie, Maschinenbau, Landwirtschaft, Logistik und Informationstechnologie vorgestellt. Russische Unternehmen präsentierten Produkte und Technologien – von zivilen Hubschraubern über medizinische Geräte bis zu Energieanlagen. Venezuela wiederum warb mit Investitionsmöglichkeiten und lokalen Produktionskapazitäten. Neben den wirtschaftlichen Gesprächen setzte das Programm auch auf kulturelle Begegnungen: Eine Ausstellung digitaler Kunst und ein E-Sports-Turnier zwischen russischen und venezolanischen Teams ergänzten das offizielle Programm. Solche Formate, so die Organisatoren, sollten den Austausch auf allen Ebenen fördern und der strategischen Partnerschaft ein lebendiges Profil geben.
Neue Felder erschließen
Grundlage ist das Abkommen, das am 7. Mai 2025 in Moskau bei einem Treffen der Staatschefs beider Länder unterzeichnet und zu Wochenbeginn offiziell in Kraft gesetzt wurde. Der Vertrag, der 25 Artikel und eine Präambel umfasst, soll nicht nur die Zusammenarbeit in traditionellen Bereichen vertiefen, sondern auch neue Felder erschließen. Zu seinen Kernpunkten zählen der Aufbau einer unabhängigen Finanzinfrastruktur, die Handelsbeziehungen von westlich dominierten Zahlungssystemen lösen soll, gemeinsame Investitionsprojekte in den Sektoren Öl, Gas und Bergbau sowie eine koordinierte Energiepolitik in internationalen Organisationen wie der OPEC und dem Forum gasexportierender Länder (GECF). Darüber hinaus verpflichten sich beide Staaten zu einem regelmäßigen politischen Dialog und bekennen sich zum Ziel, eine multipolare Weltordnung zu fördern, die auf Souveränität und gegenseitigem Respekt basiert. Auf dem Forum in Caracas präsentierten sich Russland und Venezuela als Partner, die – jenseits westlicher Einflusszonen – auf Kooperation, technologische Eigenständigkeit und den Aufbau einer alternativen, multipolaren Wirtschaftsordnung setzen.
Tageszeitung junge Welt am Kiosk
Die besonderen Berichterstattung der Tageszeitung junge Welt ist immer wieder interessant und von hohem Nutzwert für ihre Leserinnen und Leser. Eine gesicherte Verbreitung wollen wir so gut es geht gewährleisten: Digital, aber auch gedruckt. Deswegen liegt in vielen tausend Einzelhandelsgeschäften die Zeitung aus. Überzeugen Sie sich einmal von der Qualität der Printausgabe.
links & bündig gegen rechte Bünde
Jetzt den kostenlosen jW-Newsletter abonnieren – täglich das Beste aus der Tageszeitung junge Welt, direkt in Ihr Postfach. Ihre E-Mail-Adresse wird natürlich niemals an Dritte weitergegeben.
Ähnliche:
Eduardo Munoz/REUTERS04.03.2022Heuchelei angeprangert
Mauricio Duenas Castaneda/imago images/Agencia EFE22.02.2022Ansteckendes Kriegsgeschrei
AP Photo/Ariana Cubillos30.03.2020Kein Bruch mit Maduro
Mehr aus: Kapital & Arbeit
-
Selbstzufriedene Geldpolitik
vom 01.11.2025