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Aus: Ausgabe vom 01.11.2025, Seite 8 / Kapital & Arbeit
Lust und Risiken des Kapitalverkehr

Selbstzufriedene Geldpolitik

Zu Lust und Risiken des Kapitalverkehrs
Von Lucas Zeise
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Das Wirtschaftswachstum der Euro-Zone fiel im dritten Quartal dieses Jahres wahrlich bombastisch aus: ein Plus von 0,2 Prozent gegenüber dem Vorquartal, stellte Eurostat fest. Wir sind begeistert. Auch die Präsidentin der Europäischen Zentralbank, Christine Lagarde, fand das offensichtlich großartig, denn im Quartal zuvor war das Bruttoinlandsprodukt (BIP) der 20 Euro-Länder mit 0,1 Prozent Zuwachs noch ganz schwächlich ausgefallen.

Aber bereits im September konstatierte die EZB-Präsidentin: »The economy is in a good place«, was wohl so etwas wie »befindet sich in gutem Zustand« heißen soll. In jedem Fall scheint die Zufriedenheit im Leitungsgremium der Notenbank ausgeprägt. Schon die dritte Sitzung des Zentralbankrats am vergangenen Donnerstag verlief ohne eine weitere Senkung des Zinsniveaus. Der Zins, den Banken erhalten, wenn sie bei der EZB überschüssige Liquidität deponieren, beträgt damit weiterhin zwei Prozent glatt und stellt eurozonenweit damit die absolute Zinsuntergrenze dar.

Spielt der Zins als Kostenfaktor für Unternehmer denn überhaupt keine Rolle mehr? Ist der Wohnungsbau endgültig zum Erliegen gekommen, so dass niedrige Zinsen niemanden mehr aus der Reserve locken können? Oder hat die jahrelange Nullzinspolitik zu einem derartigen Gewöhnungseffekt geführt, dass nur noch die Aussicht auf Extrasuperprofit den gemeinen Kapitalisten dazu motivieren kann, sich für Investitionen zu verschulden?

Vielleicht ist das nur in Deutschland so. In Frankreich, wo der Staat nach Meinung der hiesigen Presse rettungslos überschuldet ist, wo sich aber Teile der Bevölkerung gegen die Abwälzungen der Krisenlasten auf ihre Kosten – immerhin mit Teilerfolgen – zur Wehr setzen, ist das Wachstum im dritten Quartal mit 0,5 Prozent weit höher als hierzulande ausgefallen. Das meint die Französin Lagarde allerdings bestimmt nicht, wenn sie von der in gutem Zustand befindlichen Ökonomie der Euro-Zone spricht.

Natürlich ist die Wirkung der Geldpolitik immer begrenzt. Aber die Selbstzufriedenheit dieser über der Politik schwebenden internationalen Institution EZB ist fehl am Platz. Ich gebe zu, wer in der BRD lebt, sollte sich genau überlegen, was er sich wünscht. Ein Friedrich Merz oder Lars Klingbeil an der Spitze der EZB wäre, den deutschen Ökonomen folgend, noch stärker darauf bedacht, jede expansive Wirkung auf Investitions- und Konsumnachfrage zu dämpfen. Sie bringen es sogar fertig, die nach eigenen Angaben notwendigen öffentlichen Investitionen zwar zu beschließen, aber so zu strecken, dass kein Unternehmen der Bauwirtschaft auch nur daran denkt, die Kapazitäten zu erhöhen und Personal einzustellen. Der Arbeitsmarkt ist offensichtlich »in a bad place« – oder in sehr schlechtem Zustand. Der übliche saisonale Herbstaufschwung ist in der BRD jedenfalls ausgeblieben.

Die Politik in Deutschland und die Zentralbanker Euro-Lands sind vollkommen zufrieden mit dem Kurs der Stagnation. Sie garantiert – wie sie meinen –, dass das Lohnniveau weiter sinkt und sich die Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Konzerne damit irgendwann einmal wieder bessert. Die Selbstzufriedenheit hat Methode.

Unser Autor ist Finanzjournalist und Publizist. Er lebt in Aachen.

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