Kritisch eingeknickt
Von Kristian Stemmler
Nicht nur im Bundestag ist die Linkspartei, wenn es drauf ankommt, immer wieder für Appelle an die angebliche Verantwortung für das große Ganze empfänglich. Am Mittwoch abend hat die Linke-Fraktion im sächsischen Landtag am Ende schließlich doch gemeinsam mit CDU, SPD und Bündnis 90/Die Grünen für den sogenannten Reformstaatsvertrag gestimmt und damit ein Scheitern der »Reform« des öffentlich-rechtlichen Rundfunks (ÖRR) verhindert. Zuvor hatten die Linke-Abgeordneten noch angekündigt, sich enthalten zu wollen. Damit allerdings hätte der »Reform«, der alle Landesparlamente zustimmen müssen, eine Mehrheit gefehlt. Nur die Mehrheit in Sachsen galt im Vorfeld als wackelig.
Sowohl AfD als auch das BSW hatten vorab signalisiert, das Vertragswerk ablehnen zu wollen. Der Ausweg wurde so gefunden: Die Unionsfraktion beantragte in der Sitzung des Landtages am Mittwoch eine halbstündige »Überlegungspause«, um der Linkspartei Zeit zu geben, ihre Position zu überdenken. Anschließend warb Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) um Zustimmung und versprach, einige Kritikpunkte nachzuverhandeln sowie Linke und Grüne bei weiteren Neuregelungen im Rahmen des Konsultationsmechanismus einzubinden.
Mit der Zustimmung Sachsens hat der »Reformstaatsvertrag«, der vor mehr als einem Jahr von den Ministerpräsidenten der Länder beschlossen wurde, eine wichtige Hürde genommen. Von den 16 Länderparlamenten, die bis Ende November den Vertrag ratifizieren müssen, fehlen jetzt nur noch Brandenburg, Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen. Der Staatsvertrag ist das Ergebnis jahrelanger Verhandlungen und soll ARD, ZDF und Deutschlandradio »moderner und schlanker« machen.
Der Euphemismus »schlank« steht hier wie immer für Kürzungen. So soll es weniger Radio- und TV-Programm geben, »Doppelstrukturen« sollen abgebaut und die Angebote des ÖRR besser der »digitalen Medienwelt angepasst werden«. Kritisiert wird vor allem auch das Verbot der »Presseähnlichkeit«. Der Schwerpunkt der Angebote auf Portalen wie tagesschau.de soll künftig laut Staatsvertrag bei Videos und Audios liegen. Die Texte müssen einen Bezug zu einer Radio- oder Fernsehsendung haben. Diese Regelungen schaffen den großen Medienkonzernen lästige Konkurrenz im Nachrichtengeschäft vom Hals.
Vor der Abstimmung im Landtag hatte Luise Neuhaus-Wartenberg, medienpolitische Sprecherin der sächsischen Linke-Fraktion, diese Änderungen noch scharf kritisiert und einen Vergleich bemüht: Das sei so, als ob die neue Bahn-Chefin Evelyn Palla ihren Job mit einem neuen Kursbuch und der Ankündigung vieler Streckenstillegungen beginnen würde und das als »bessere Bahn für weniger Geld« verkaufe. »Was als zukunftsweisende Reform angekündigt wird, ist ein Kürzungsfahrplan mit dem Etikett ›Innovation‹«, warnte Neuhaus-Wartenberg. Der Vertrag stärke nicht den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, »wie es dringend erforderlich wäre«, sondern schwäche ihn.
In einer Mitteilung vom Donnerstag kritisierte Neuhaus-Wartenberg auch das »Verbot der Presseähnlichkeit«. ARD, ZDF und Deutschlandradio müssten nach dem jetzigen Vertrag in ihren Onlineangeboten mit weniger Text, weniger Hintergrund, weniger Recherche auskommen. »Online-Print-Medien und privatwirtschaftliche Fernsehanbieter dürfen derweil im Netz Texte, Videos, Podcasts und interaktive Grafiken kombinieren.« Das sei ein Anachronismus.
Zeitgemäß, weil staatstragend, ist dagegen Neuhaus-Wartenbergs nachträgliche Erläuterung zum Ja im Landtag. Ein Scheitern des Vertrags »wäre eine Steilvorlage für jene gewesen, die unabhängigen Journalismus als Feind betrachten und die öffentlich-rechtlichen Medien abschaffen wollen«. Man wolle sich nicht einreihen »in die Blockadefront derjenigen Kräfte«, die den öffentlich-rechtlichen Rundfunk »diskreditieren und zerschlagen wollen«. Der Staatsvertrag enthalte sogar sinnvolle Punkte, darunter die stärkere Interaktion mit Nutzern, gemeinsame Mediatheken und flexible Budgets für langfristige Projekte, teilte die Linke-Abgeordnete mit. Insgesamt sehe ihre Fraktion den Reformstaatsvertrag aber immer noch »eher kritisch«.
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Leserbrief von Gerd Wicke aus Karlsruhe (3. November 2025 um 13:27 Uhr)Das Verhalten der Linken im sächsischen Landtag finde ich auch kritikwürdig: erst Nichtübereinstimmung ankündigen und dann doch staatstragend für »Verschlankung« abstimmen. Mir fällt es aber immer schwerer, eine Lanze für die Öffentlich-Rechtlichen zu brechen. Zu freiwillig-gleichgeschaltet und staatstragend sind sie. Kritischer Journalismus findet kaum noch statt, zu Russland, Ukraine, Israel, Gaza. Die Politik unserer »Freunde« wird nicht an demselben hochmoralischen Maß gemessen, wie die Politik der »Feinde«. Nachrichten von Angelegenheiten, die nicht ins Bild passen, werden unterdrückt oder mittels Sprachregelungen verzerrt wiedergegeben. Es bleibt noch die Regionalberichterstattung, sowie das Angebot von werbefreien Filmen und Radioprogrammen für das man sich einsetzen könnte – ja – wem das reicht?
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Leserbrief von Fred Buttkewitz aus Ulan - Ude (31. Oktober 2025 um 00:04 Uhr)Fortsetzung Leserbrief: DAS sind die Doppelstrukturen, dass doppelt und dreifach ewig das Gleiche gesendet und gesagt wird. Die Offenlegung der skandalös hohen Kosten auch nur einer einzigen derartigen Sendung zeigt, wo das größte Potential für Kürzungen und Einsparungen liegt. Dazu müsste nur die Fassade fallen, wozu man sich noch nicht entschlossen hat. Vorerst verdienen einige Leute zu gut daran. So, wie es jetzt als Selbstbedienungsladen abläuft, ist Einheitspropaganda zu teuer. In dieser Form sind ARD und ZDF überflüssig.
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Leserbrief von Fred Buttkewitz aus Ulan - Ude (31. Oktober 2025 um 00:02 Uhr)»Doppelstrukturen« sollen abgebaut und die Angebote des ÖRR besser der »digitalen Medienwelt angepasst werden«. Das finanzielle Hauptproblem des ÖRR ist, dass er auf politisch-gesellschaftlichem Gebiet eine Vielfalt der Sendeinhalte und des Meinungsspektrums lediglich vortäuschen will und soll, die in Wirklichkeit dort nicht existiert. Unter dem Stichwort »guter Journalismus« soll Eigenständigkeit und Regierungsferne vorgetäuscht werden, die ebenfalls nicht spürbar sind. Diese Fassade der »Vielfalt« kostet natürlich einiges, vor allem durch die föderale Struktur der Sendeanstalten. Jeder Posten von Direktoren, Stellvertretern, Abteilungsleitern, Redakteuren muss dann einschließlich überzogener Gehälter und Pensionsansprüche mehrfach besetzt werden. Wie »gut«, propagandistisch wirkungsvoll und vergleichsweise sparsam hatte man es da zu Zeiten eines einheitlichen Reichsrundfunks mit einheitlichen Vorgaben eines Ministeriums für Volks»aufklärung« und Propaganda, als man auf diese Fassade der Vielfalt verzichtete. Das war zwar furchtbar, aber wesentlich billiger. Jedoch – statt einer Rede von Propagandaminister Goebbels zum Durchhalten gegen einen aggressiven Feind, gegen den man sich nur verteidigt, wird heute eine im Verhältnis 4:1 oder 4:0 besetzte Talkshow weitgehend einheitlicher Meinung gesendet, welche die Regierungspolitik ebenfalls befürwortet. Das ewig gleiche und gut daran verdienende Personal tritt dann in einem anders genannten Sender in einer anders genannten Talkshow erneut auf. Das ist teure Vortäuschung von Meinungsvielfalt. Damals verursachte die Sendung einer Rede über das Radio die Unkosten der rein technischen Absicherung dieses Vorganges. In einer Demokratie, welche Meinungsvielfalt lediglich vortäuscht, ist Einheitspropaganda teurer. Da muss dann zusätzlich das Honorar von Frau Maischberger sowie der eingeladenen Gäste Kiesewetter, Röttgen sowie der ausgewählten Sachverständigen, die ins gleiche Horn blasen, beglichen werden.
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Leserbrief von B.S. aus Ammerland (30. Oktober 2025 um 23:32 Uhr)Diese »Linke« ist seit Jahren . . . . . . nun wirklich keine linke Partei mehr. Ähnlich wie die Sozialdemokraten nicht sozial sind, scheinen SPD-ler/innen sich bereits lange vor Olaf Scholz und Co. von der Demokratie verabschiedet zu haben. Sowie die berühmt-berüchtigten »Grünen«, welche weder grün und ökologisch noch das sie für Frieden sind. Kleine Korrektur, doch Die Grünen sind für Frieden, aber einen klassischen Diktatfrieden, so recht nach dem Gusto der deutschen Moral-Apostel . . . und der Angloamerikaner natürlich. Brav ihrem Motto folgend: : »Mach' s wie Joschka, die Alte Dachlatte, lass dich für Lügen und Propaganda belohnen!« Und das nicht zu knapp, als Referent mit Vortragsreisen durch die USA. Der »Schützling von Madeleine Albright« hat ausgesorgt und schaut sich die Welt oben von der Atlantik-Brücke aus an. So heruntergekommen war die Partei Die Linke damals noch nicht! Aber was war muss ja nicht so bleiben oder? Seit Jahren erkennen auch die Rechten bei der »Linken«, » Selber fressen macht fett . . . ! « Regieren muss toll sein . . . zur Not auch als Nichtgebrauchter Partner der Systemparteien !
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