Wünschen Sie sich Änderungen im Stadtbild?
Interview: Gitta Düperthal
Die Initiative Schwarze Menschen in Deutschland setzt sich für politische Partizipation ein und kämpft gegen institutionellen und strukturellen Rassismus. Wie kommt die vom Bundeskanzler losgetretene »Stadtbild«-Debatte bei Ihnen an?
Wir sind nicht überrascht. Länger kündigte sich an, dass mit diesem Regierungswechsel in Berlin ein rauerer Wind weht. Konservative wollen die in den letzten Jahrzehnten in Gang gekommenen gesellschaftlichen Prozesse zurückdrehen: Debatten zu Flucht und Migration abwickeln, die für eine plurale, inklusive Gemeinschaft im Zusammenleben notwendig sind. Zu diesem »Rollback« passt die Äußerung von Merz, im Stadtbild gäbe es Probleme. Eine offene, soziale Gesellschaft ist nicht mehr gewollt. Des weiteren finde ich die Kritikresistenz des Kanzlers erschreckend; dass er nicht begreift, warum jetzt Tausende Menschen dagegen auf die Straße gehen. Im Gegenteil: Er bemächtigt sich der Frauen, um seine Aussage »Fragt doch eure Töchter« zu bekräftigen. Das zeigt, wie wenig Merz und seine Regierung verstehen, wie seine Bemerkungen ankommen, auch von der migrantischen Bevölkerung wahrgenommen werden. Statt stets nur von Ausweisung und Abschiebung zu sprechen, muss das Ziel sein, neue gesellschaftliche Herausforderungen zu benennen, zu analysieren und zukunftsweisend politische Lösungen anzugehen.
Hat Sie dazu schon jemand befragt? Im Kern richtet sich die »Stadtbild«-Debatte ja gegen nichtweiße Menschen.
Merz benennt das nicht präzise, spielt nur darauf an. Aber jeder weiß, was gemeint ist. Wir kritisieren das. Und nein, Medien übernehmen meist den Diskurs, bekräftigen, dass es hohe Kriminalität im öffentlichen Raum gibt. Aber wem steht dieser Raum zu? Um wessen Sicherheit muss man sich sorgen? Gibt es darin sichere Plätze für People of Colour?
Die Debatte präzisierte der Kanzler anschließend: Wertvoll findet er Migration fürs deutsche Kapital, also wenn Migranten sich ausbeuten lassen und sonst nicht weiter auffallen.
So ist es. Man braucht diese Menschen, nutzt sie aus, solange sie fürs Kapital verwertbar sind. In den USA ist das noch zugespitzter der Fall. Zu sehen ist dort, wohin das eine Gesellschaft führt.
CSU-Innenminister Alexander Dobrindt nimmt die Debatte zum Anlass, Polizeieinsätze zur Gewaltprävention in Innenstädten und an Bahnhöfen anzukündigen, um »verdachtsunabhängig« zu kontrollieren – also ohne Angabe von Gründen.
Auch das überrascht nicht. Wir nennen das »Racial Profiling«. Niemand fragt, was das für schwarze Menschen bedeutet. Statt politische Lösungen anzustreben, überlässt man es der Polizei, fordert vermehrt Kontrollen ein. Statt die Lage zu analysieren, die zu mehr Kriminalität führt, wie Armut, Arbeitslosigkeit und Ausgrenzung, schreit man nach Abschiebung und Ausweisung: Das ist gesellschaftliches Versagen.
Was halten Sie von der Reaktion zur »Töchter«-Debatte? Sängerin Joy Denalane, Klimaaktivistin Luisa Neubauer und andere lenken die Debatte um und fordern bessere Strafverfolgung bei sexualisierter und häuslicher Gewalt, ausreichend finanzierte Frauenhäuser sowie Schutz vor digitaler Gewalt und Rassismus im Netz.
Das begrüßen wir. Es verdeutlicht: Gewalt findet häufig im häuslichen Rahmen statt, worüber kaum gesprochen wird. Statt dessen markiert man Menschen auf der Straße als nicht zugehörig; insistiert mit der »Stadtbild«-Debatte, dass sie es auch nicht sein sollen. So hat es Merz auch mit den Grenzkontrollen gemacht, als er von »komischen Figuren« sprach, die rausgewunken werden – im Gegensatz zu »normalen deutschen Urlaubern«, die weiterfahren. Er schürt Vorurteile.
Wünschen Sie sich Änderungen im Stadtbild?
Nein. Das ist nur äußerlich. Ich wünsche mir, wie bei der Berliner Ausstellung »heimaten« im Haus der Kulturen der Welt, Gesellschaft positiv zu denken: Menschen in Zusammenschlüssen, Institutionen und Vereinen gestalten, was gegenwärtig als deutsche Gesellschaft und Kultur gilt.
Tahir Della ist im Vorstand der Initiative Schwarze Menschen in Deutschland (ISD)
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