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Aus: Ausgabe vom 30.10.2025, Seite 11 / Feuilleton
Kino

Was Herrchen nicht sieht

Der Hund ist der beste Freund des Spuks: Ben Leonbergs innovativer Horrorfilm »Good Boy – Trust His instincts«
Von Marc Hairapetian
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Hunde, wollt ihr ewig leben?

»Der Hund ist die Tugend, die sich nicht zum Menschen machen konnte«, wusste schon Victor Hugo. Das kann der Verfasser dieser Zeilen bestätigen, der seit 15 Jahren mit seinem Sibirischer-Wolfhund-Husky-Mischling Felix ein durch dick und dünn gehendes Team bildet. Es gibt einige große Hundefilme, die aus der Perspektive des treuesten Begleiters des Menschen erzählt werden: Neben diversen Adaptionen von Jack Londons »Ruf der Wildnis« vor allem die auf wahren Ereignissen basierenden japanischen Filme »Taro und Jiro in der Antarktis« (Koreyoshi Kurahara, 1983) und »Hachiko – Wahre Freundschaft währt ewig« (Seijirō Kōyama, 1987) oder der exzentrische Science-Fiction-Film »Der Junge und sein Hund« (L. Q. Jones, 1975). Aber ein Horrorthriller aus der Sicht einer Fellnase? In »Good Boy – Trust His Instincts« bringt Regisseur, Kodrehbuchautor und Koproduzent Ben Leonberg seinem Nova Scotia Duck Tolling Retriever das Gruseln bei.

Die Story: Der sterbenskranke Todd (Shane Jensen) zieht mit seinem Hund Indy aus der zu engen Stadtwohnung in ein altes abgelegenes Familienhaus, in dem schon mehrere Angehörige jung gestorben sind. Die ländliche Idylle täuscht, das geräumige Anwesen wird – natürlich – heimgesucht. Der Clou dabei ist, dass man den Spuk nur aus der Sicht des Vierbeiners mitbekommt. Todd, der sich mit Indy liebevoll unterhält, ist lediglich als Silhouette zu sehen. Dadurch wirkt das Ganze viel unheimlicher, aber auch emotionaler. Die für die Story notwendigen Informationen erhält der Zuschauer über Telefongespräche und das Abspielen alter VHS-Kassetten sowie einige Rückblenden.

Das Beeindruckendste an »Good Boy – Trust His Instincts« ist sein Hauptdarsteller. Die Filmkritikseite Indiewire schreibt zu Recht über Indy: »Einer der ausdrucksstärksten Schauspieler seiner Zeit. Speziesübergreifend.« Wie er verängstigt blickt, andererseits aber auch todesmutig versucht, sein Herrchen vor der bedrohlichen, schemenhaften Gestalt, die durchs Haus geistert, zu beschützen, hat man so noch nicht gesehen. Ben Leonberg übernahm dafür auch die Aufgabe des Hundetrainers, der sich bei der Postproduktion selbst digital aus dem Bild entfernte. Um seinen vierbeinigen Liebling nicht zu überfordern, ließ er sich Zeit: Drei Jahre arbeitete der Schöpfer von Kurzfilmen wie »Bears Discover Fire« (2015) und »The Fisherman’s Wife« (2016) mit Indy an der Realisierung seines preisgekrönten Spielfilmdebüts.

»Ich denke, im Grunde geht es in allen Geistergeschichten um Sterblichkeit – was mit uns nach dem Tod passiert, die Unfähigkeit loszulassen oder die Angst vor dem Jenseits«, sagt Ben Leonberg im Gespräch, »Aber mich hat immer mehr interessiert, wie unsere Hunde die menschliche Sterblichkeit erleben würden.« Im verblüffenden Showdown lernt nicht der Mensch, sondern der Hund loszulassen. Auch an dieser Stelle betritt einer der faszinierendsten und zugleich berührendsten Horrorfilme der letzten Jahre Neuland.

»Good Boy – Trust His instincts«, Regie: Ben Leonberg, USA 2025, 72 Min., Kinostart: heute

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