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Aus: Ausgabe vom 30.10.2025, Seite 4 / Inland
Richtungskämpfe in der CDU

Union jetzt mit »Compass«

Neue CDU-Gruppe wendet sich gegen »Verengung auf das Konservative« und plädiert für Abgrenzung von AfD
Von Kristian Stemmler
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Die innerparteiliche Gruppe will der CDU einen neuen »sozialen« Anstrich verpassen (Hamburg, 15.1.2025)

In den Unionsparteien wird noch mehr als in anderen Parteien Wert auf geschlossenes Auftreten gelegt. Nun hat sich in der CDU dennoch eine neue innerparteiliche Gruppe unter dem Namen »Compass Mitte« gegründet. In einer Mitteilung, die auf einer kürzlich freigeschalteten Website publiziert wurde, fordert die Gruppe von Parteichef Friedrich Merz – ohne ihn namentlich zu nennen – eine »Kurskorrektur«. »Mit Compass Mitte möchten wir die politische Mitte in der CDU stärken«, heißt es dort. Man trete für eine CDU ein, die ihr »C« (für christlich) wieder ernst nehme. Um wieder die Ergebnisse einer »Volkspartei« zu erreichen, müsse »der soziale und liberale Teil der Union sichtbarer werden«.

Den Anstoß für die Gründung waren offenbar die Debatten um die »Brandmauer« zur AfD und die »Stadtbild«-Äußerung von Parteichef Friedrich Merz. In einer Gründungserklärung, die auf der Website veröffentlicht wurde, fordert die Gruppe eine klarere Abgrenzung zur AfD und die Einleitung eines Verbotsverfahrens. Es dürfe »keinerlei politische Zusammenarbeit« mit dieser »völkisch-nationalistischen Partei« geben. Die CDU dürfe deshalb »auch keine Anträge stellen, die nur mit Stimmen der AfD eine Mehrheit bekommen können«, heißt es weiter. Das gelte »für alle Ebenen«.

Zu den 33 Erstunterzeichnern der Erklärung, in der unter anderem eine »Verengung auf das Konservative« in der Union moniert wird, gehören der frühere Generalsekretär Ruprecht Polenz, der vor allem als Propagandist der Mobilmachung gegen Russland und China bekannte Bundestagsabgeordnete Roderich Kiesewetter und Monica Wüllner, Mitglied im CDU-Bundesvorstand und stellvertretende Bundesvorsitzende der Christlich-demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA). Weiter zählen zu der Gruppe vor allem CDU-Politiker, die auf kommunaler Ebene Verantwortung tragen, etwa Kreistagsabgeordnete oder Ratsmitglieder. Die Unterzeichner gehören, wie die genannten Namen zeigen, zum Teil zum sogenannten Sozialflügel der CDU, zum anderen zur NATO-Fraktion, bei der die AfD im Verdacht steht, nicht »prowestlich« genug zu sein.

In der Gründungserklärung wendet sich »Compass Mitte« auch gegen die von Merz vertretene Sozialpolitik und die Fokussierung auf das Thema Migration. »Politik darf nie auf dem Rücken von Minderheiten gemacht werden«, heißt es da. Das »C« im Parteinamen stehe auch für »soziale Gerechtigkeit, Menschlichkeit und einen respektvollen politischen Stil«. Die »Kontrolle von Migration« sei »eine wichtige, aber bei weitem nicht die wichtigste Aufgabe«. Migration müsse an den EU-Außengrenzen überwacht werden. Der Umsetzung des EU-Pakets zur Asylpolitik sei Vorrang einzuräumen vor »unabgestimmten, nationalen Alleingängen«.

Polenz erklärte gegenüber der Zeit, es gebe in der Partei »zunehmende Nervosität, weil es mit unseren Zustimmungswerten nicht aufwärts geht«. Deswegen müsse stärker über den Kurs der Partei debattiert werden, und dazu wolle die Plattform einen Beitrag leisten. »Die CDU droht ihren Wertekompass zu verlieren, wenn sie sich nur noch als rein konservative Partei versteht«, so der frühere CDU-Generalsekretär.

Trotz dieser Kritik wollen andere Unionspolitiker die Verschärfungen in der Asylpolitik weiter vorantreiben. So forderte der CSU-Bundestagsabgeordnete Stephan Mayer gegenüber Bild (Mittwoch) »eine grundlegende Reform des Staatsbürgerschaftsrechts«. »Gewalttätern, Schwerkriminellen, Verfassungsfeinden, Antisemiten und Deutschen-Hassern« mit zwei Pässen müsse die deutsche Staatsbürgerschaft entzogen werden.

Schützenhilfe bekam Mayer von der CDU-Innenpolitikerin Cornell Babendererde. »Die doppelte Staatsbürgerschaft sollte die Ausnahme bilden, nicht die Regel«, erklärte sie, ebenfalls gegenüber Bild. Wenn 80 Prozent der Eingebürgerten 2023 neben der deutschen Staatsangehörigkeit ihren alten Pass behalten wollten, sei zu fragen, ob »die Liebe, die Identifikation mit unserem Land am Ende vielleicht doch nicht so groß« sei und es vielmehr um die mit dem deutschen Pass garantierten Vorteile gehe.

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