Mein Jet, meine Yacht, mein CO2-Fußabdruck
Von Niki Uhlmann
Alle atmen wir dieselbe Luft. Verpestet wird sie allerdings nur von einigen wenigen, nämlich Reichen. Diesen Missstand hat die Nichtregierungsorganisation Oxfam am Dienstag mit eindrücklichen Zahlen abermals nachgewiesen. Unter dem Titel »Klimakluft: Wie Reiche das Klima belasten« erfährt man, dass ein durchschnittlicher Finanzaristokrat aus dem wohlhabendsten Tausendstel der Weltbevölkerung täglich 800 Kilogramm CO2-Emissionen verursacht. Selbst wenn er einer alten Karikatur eines fettgemästeten Kapitalisten entspräche, wäre das ein Vielfaches seines Körpergewichts. Ein Durchschnittsmensch der ärmeren Weltbevölkerungshälfte sorgt täglich nur für zwei Kilogramm CO2.
Wie es dazu kommt, ist hinlänglich bekannt. Die Reichen beuten aus und schöpfen mit ihrem abgepressten Reichtum aus dem Vollen. Das trifft die Natur gleich doppelt: einmal, indem Raubbau betrieben wird und ein zweites Mal, indem die Hautevolee über ihre und allgemein menschliche Verhältnisse lebt. Beides schlüsselt Oxfam auf.
Eine branchenübliche Analyse der Portfolios jener 308 Milliardäre, die zu mindestens zehn Prozent an Konzernen beteiligt sind, habe ergeben, dass diese Rentiers im vergangenen Jahr für 586 Millionen Tonnen CO2 verantwortlich waren. Pro Kopf beliefen sich ihre Investitionsemissionen auf das 346.000fache des globalen Durchschnitts, und zwar nicht nur wegen ihres riesigen Anteils, sondern auch aufgrund einer »Tendenz, in schmutzigere Industrien zu investieren«. Ferner setzte der Geldadel sich bei seinen Beteiligungen nur in Ausnahmen für mehr Klimaschutz ein, während der Lobbyismus für lückenhafte Gesetze, schikanöse Prozesse gegen Kritiker und zahlreiche Desinformationskampagnen bestens dokumentiert sind.
Für Privatvergnügen bleibt selbstredend auch noch eine Menge übrig. Jets, Yachten, Villen – alles im Plural, versteht sich. Laut der Studie entfällt mit 48 Prozent fast die Hälfte aller Konsumemissionen auf das reichste Zehntel. Dabei wächst die Maßlosigkeit offenbar proportional zum Vermögen. Soll das 1,5-Grad-Ziel des Pariser Klimaabkommens eingehalten werden, müsste das reichste Hundertstel seine Emissionen um 97 Prozent zurückschrauben. Umgekehrt: Würden alle Menschen derart prassen, wäre das verbliebene Klimabudget binnen dreier Monate aufgebraucht. Die ruinösen Resultate allein dieses Exzesses umfassten unter anderem drei Dekaden Ernteverluste, die jährlich 14,5 Millionen Menschen hätten ernähren können und medizinische Mehrkosten von jährlich etwa drei Milliarden US-Dollar ab 2030.
Werden Emissionen und wirtschaftliche wie politische Macht der Superreichen nicht eingedämmt, »ist ein vollständiger Klimakollaps unvermeidlich«, lautet das Fazit. Oxfam appelliert an Regierungen: Es brauche progressivere Steuern auf Einkommen, Vermögen, Übergewinne, Finanztransaktionen und Luxusgüter samt Aufschlägen für Klimaschäden, ferner eine Eindämmung des Lobbyismus, von der Parteispende bis zum Medienhaus, striktere Auflagen für Kapitalmärkte und Konzerne, etwa im Kartellrecht, sowie nicht zuletzt mehr zivilgesellschaftliche Mitbestimmung inklusive Schutz der übermäßig Betroffenen. Umsetzen werden Regierende davon absehbar genau nichts.
Wer das Betragen der Superreichen kritisiert, muss mit Konsequenzen rechnen. Am Montag wurde bekannt, dass der russische Oligarch Roman Abramowitsch eine Abmahnung der Partei Die Linke verlangt habe – wegen eines »vier Jahre alten Artikels der Ökologischen Plattform über den CO2-Fußabdruck von Milliardären«, wie die Partei mitteilte. »Die Klimakrise ist eine Klassenfrage«, sagten Violetta Bock, Fabian Fahl und Lorenz Gösta Beutin, allesamt für Die Linke im Bundestag, gegenüber jW.
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Leserbrief von Joachim Becker aus Eilenburg (30. Oktober 2025 um 14:56 Uhr)Es ist doch allgemein bekannt, dass der Kapitalismus – mit seiner Gier nach immer mehr Rohstoffen, nach Absatzmärkten und billigen Arbeitskräften, mit einer Produktionsweise – die auf der Ausbeutung von Mensch und Natur basiert –, für die Klimakatastrophe mitverantwortlich ist. Und solange auch nicht die Systemfrage gestellt wird, wird sich daran auch nichts ändern.
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