Wahl ohne große Wahl
Von Christian Selz, Kapstadt 
					An diesem Mittwoch könnte in Tansania erstmals eine Frau die Präsidentschaftswahlen gewinnen. Amtsinhaberin Samia Suluhu Hassan, die das ostafrikanische Land bereits seit dem Tod ihres Vorgängers John Magufuli im Jahr 2021 regiert, profitiert dabei allerdings auch davon, dass ihre zwei aussichtsreichsten Kontrahenten erst gar nicht zugelassen worden sind. Oppositionsführer Tundu Lissu droht in einem Prozess wegen Hochverrats gar die Todesstrafe.
Hassan galt zunächst als Hoffnungsträgerin. Mit ihrem Programm »Aussöhnung, Widerstandsfähigkeit, Reform und Wiederaufbau« schien die Politikerin der seit der Unabhängigkeit 1961 regierenden Revolutionspartei (CCM) zunächst Kontrastpunkte zum polarisierenden Regierungsstil ihres Vorgängers zu setzen. Doch ihre lang angekündigten Wahlgesetze, in deren Entwurfsphase gar ein Dialog mit der Opposition stattfand, waren letztlich nicht mehr als alter Wein in neuen Schläuchen. Der Einfluss der Präsidentin auf die dem Namen nach unabhängige Wahlkommission ist ungebrochen. Der Prozess gegen Lissu, Vorsitzender der bisher stärksten Oppositionskraft, der marktliberal-konservativen »Partei für Demokratie und Fortschritt« (Chadema) hat seinen Ursprung ausgerechnet in diesem Konflikt. In seiner Kampagne »Keine Reformen, keine Wahlen« sah die Staatsmacht die Absicht, den Wahlverlauf zu stören. Im Gerichtsgebäude wurde auch noch sein Stellvertreter in Haft genommen. Die Chadema boykottiert die Wahl.
Luhaga Mpina, Spitzenkandidat der zweitgrößten Oppositionspartei, der sozialdemokratischen ACT–Wazalendo, wurde wegen des Vorwurfs der Nichteinhaltung von Nominierungsregularien ausgeschlossen. Die Partei tritt zwar zu den gleichzeitig stattfindenden Parlamentswahlen und zu den Wahlen auf der halbautonomen Insel Sansibar noch an, hat nun aber keinen landesweiten Präsidentschaftskandidaten mehr.
Präsidentin Hassan folgt damit letztlich dem Muster ihres Vorgängers. Auch Magufuli stieg nach seinem Amtsantritt zunächst zu einer Art politischem Rockstar auf. Mit Überraschungskontrollen in staatlichen Institutionen illustrierte er einen Kampf gegen Ressourcenverschwendung, Korruption und mangelnden Service, der auch über die Grenzen Tansanias hinaus gut ankam. Die gewonnene Beliebtheit nutzte er zur Machtkonzentration, die schließlich auch darin gipfelte, dass der Präsident das Coronavirus schlicht wegbeten ließ und die Pandemie in Tansania daraufhin für beendet erklärte. Kurze Zeit später starb er an einer nicht näher bestimmten Atemwegsinfektion.
Der Sicherheitsapparat Magufulis hat nun auch unter Hassan Bestand, und es ist von außen nicht immer klar ersichtlich, wer in dieser Machtkonstellation wen kontrolliert. Abtrünnige sind jedenfalls nicht wohlgelitten. Humphrey Polepole, CCM-Spitzenpolitiker und ehemaliger Botschafter Tansanias in Kuba, verschwand Anfang Oktober nach Kritik an den Ausschlüssen aus seinem Haus, in dem Einbruchs- und Blutspuren gefunden wurden. Eine UN-Expertengruppe hatte die tansanische Regierung bereits im Juni öffentlich aufgefordert, »das gewaltsame Verschwindenlassen von politischen Gegnern, Menschenrechtsverteidigern und Journalisten als Werkzeug der Unterdrückung im Kontext der Wahlen unverzüglich zu beenden«. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) veröffentlichte Ende September eine ähnliche Stellungnahme, in der sie eine ganze Reihe von Übergriffen dokumentierte.
Mit stärkeren Protesten rechnen Beobachter dennoch nicht. Die Gründe dafür liegen einerseits in der Repression selbst. Die Polizeibehörde beispielsweise hat Demonstrationen für den Wahltag verboten und am Sonntag in einer Pressemitteilung gleich vorab gefordert, dass »diejenigen, die das Gesetz brechen wollen, sich nicht über die Maßnahmen beschweren sollen, die dann gegen sie ergriffen werden«. Zugleich profitiert Hassan aber auch von einem relativ stabilen Wirtschaftswachstum von derzeit 5,5 Prozent, das allerdings hauptsächlich auf der Ausbeutung von Bodenschätzen und damit verbundenen Infrastrukturprojekten basiert.
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