Bundeswehr meldet Eigenbedarf an
Von Michael Merz
Bezahlbarer Wohnraum ist eines der drängendsten Probleme. Die Bundeswehr hat das nun mit dem am Montag abend verkündeten Umwandlungsstopp zur zivilen Nutzung ihrer Immobilien weiter befördert. Der vor mehr als 30 Jahren angestoßene Prozess hatte immerhin für kleine Atempausen im überhitzten Markt gesorgt. Doch jetzt meldet die Armee Eigenbedarf an. »Der Aufwuchs der Bundeswehr« sei »aufgrund der Bedrohungslage« zwingend, lässt sich Staatssekretär Nils Hilmer aus dem Verteidigungsministerium zitieren. »Millionen fließen ins Militär statt in Menschlichkeit, das ist die unsoziale Politik dieser Bundesregierung«, erklärt hingegen die Linke-Bundestagsabgeordnete Katalin Gennburg gegenüber jW. Nach Angaben aus Boris Pistorius’ Ministerium betrifft es zunächst 187 ehemalige militärische Liegenschaften. Hinzu kämen weitere 13, die die Bundeswehr noch betreibt und die sie – entgegen früherer Entscheidungen – nicht abgibt, wie einen Teil des ehemaligen Flughafens Tegel in Berlin. Hier waren für bis zu 3.000 geflüchtete Menschen dezentrale Unterkünfte vorgesehen.
Und alles hätte so schön werden können in Fürstenfeldbruck nahe der bayerischen Metropole München. 4.000 Menschen sollten in einem neuen Stadtviertel auf 220 Hektar – auf dem Gelände des 2015 außer Betrieb genommenen Fliegerhorsts – ein Zuhause finden, Gewerbe mit 3.000 Arbeitsplätzen angesiedelt werden. Sportanlagen, Schulen, Kindergärten – ein Mammutprojekt, seit 2011 läuft die Konversion des Militärareals. Zuständige Managerin hierfür: Nadja Kripgans-Noisser. Die Verärgerung ist ihr am Dienstag im Gespräch mit jW anzuhören. »Hier herrscht schon große Frustration im Rathaus«, sagt sie. »Schlecht« sei die Informationspolitik des Verteidigungsministeriums, nur am Rande sei im September angedeutet worden, dass der Abzug der Soldaten nicht wie geplant bis 2030 passiere und auf unbestimmte Zeit verschoben sei. So ist Stadtplanung natürlich nicht zu machen. Personaleinsatz, Untersuchungen, Gutachten; 2024 hatte man gar den Sieger im städtebaulichen Wettbewerb gekürt – Adept aus Kopenhagen wollte die unwirtliche Airbase in eine »green urban neighbourhood« verwandeln. Noch dieses Jahr wurden weitere Aufträge vergeben. Dann zeigte Berlin am Montag offiziell das Stoppschild.
Mehrere Millionen seien bereits in die Realisierung des neuen Stadtteils geflossen, bis die Bundeswehr in die Planung grätschte. »Wir erheben gerade die genauen Kosten, großzügige Förderung kam auch vom Freistaat«, so Kripgans-Noisser. Allein könnten das Kommunen ohnehin nicht stemmen. Wie es nun weitergeht in Fürstenfeldbruck? Das weiß keiner, es gebe halt »keinen strukturierten Kommunikationsfluss«. Es sei noch nicht einmal klar, welche Streitkräfte überhaupt den Fliegerhorst beziehen werden – und ob die überhaupt wiederkommen. Denn was die Bundeswehr an Immobilien und Flächen für sich beansprucht, wird von ihr nicht zwangsläufig genutzt. Bestehende Gebäude könnten weiter verrotten, ausgewiesene Bauflächen bis Sankt Nimmerlein vor sich hinvegetieren. Die deutsche Armee setzt zunächst lediglich den Anspruch durch, zu behalten, was ihr gehört. Im am Dienstag auf der Website des Ministeriums veröffentlichten Moratorium heißt es: »All diese Liegenschaften werden der so genannten strategischen Liegenschaftsreserve der Bundeswehr zugeführt.« Nur »im Bedarfsfall« – anzunehmen ist, dass hier ein Kriegsfall oder dessen Vorbereitung gemeint ist – sollen »kurzfristige Lösungen für die Infrastrukturbedarfe der Bundeswehr möglich werden«. Von der Bevölkerung dringend benötigte Immobilienlösungen oder Bauflächen sind somit dazu verdammt, auf Halde gelegt zu sein.
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Leserbrief von Günther Buwert aus 82140 Olching (29. Oktober 2025 um 10:19 Uhr)Es ist begrüßenswert, wenn OB Götz und die Verwaltung versuchen, möglichst viel Eigenbedarf auszuhandeln. Es befremdet, wenn er, wie erwartungsgemäß die CSU, dafür plädiert, dass auf dem Fliegerhorstgelände und im weiteren Stadtgebiet der Rüstung zuarbeitendes Gewerbe anzusiedeln sei. Zwei rüstungsbeliefernde Unternehmen befinden sich bereits in FFB: Hensoldt und Schleifring. Wir müssen davon ausgehen, dass FFB in erweiterter Dimension eine Militärstadt bleibt und militärischen Plänen dienen soll. In welchem Ausmaß, bleibt abzuwarten. Die Aussagen zur Ansiedelung rüstungszuarbeitenden Gewerbes finden sich im Fürstenfeldbrucker »Rathausreport« Oktober 2025. Hier zu finden und zu lesen (auf Seite 2 und 10): https://www.fuerstenfeldbruck.de/ffb/web.nsf/gfx/9D3A4EEA9AB274A2C1258D24002F17C9/$file/Der%20RathausReport%20vom%20Oktober%202025.pdf. Christian Götz, Brucker Oberbürgermeister: »Unterstützt werden sollte die Ansiedelung von Technologieentwicklung und Kooperationen mit Unternehmen aus dem Sicherheits- und Verteidigungssektor. Um die nun fehlende Perspektive in diesem Areal zu kompensieren, werden wir unseren Fokus verstärkt auf die Entwicklung von Gewerbeflächen im restlichen Stadtgebiet lenken.« Andreas Lohde, (ehem.) CSU Fraktionsvorsitzender: »… wäre es sinnvoll, die Planungen dahingehend zu aktualisieren, dass die mögliche Ansiedelung von Sicherheits-Defense-Wirtschaft mit angedacht werden kann. Synergien aus der Nachbarschaft von Bundeswehr und Gewerbe (…) deutlich machen, dass uns nicht nur das Militär willkommen ist, sondern wir gemeinsam – Bund und Stadt – an einer langfristigen sinnvollen Weiternutzung des Traditionsstandortes interessiert sind und deswegen auch der zur Nutzung passenden Wirtschaft Flächen einräumen würden.«
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