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Aus: Ausgabe vom 17.10.2025, Seite 15 / Feminismus
Brustkrebs

Skandal um Krebsvorsorge

Spanien: Frauen in Andalusien monatelang nicht über Untersuchungsergebnisse und Krebsbefunde informiert – Regionalregierung unter Druck
Von Carmela Negrete
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Protest gegen des Versagen des Gesundheitssystems in Sevilla (8.10.2025)

Tausende Frauen haben in den vergangenen Wochen im südspanischen Andalusien wegen eines Skandals in der Brustkrebsvorsorge demonstriert. So sollen bis zu 2.000 Betroffene eine Mammographie bei der öffentliche Gesundheitsvorsorge Andalusiens gemacht haben lassen, ohne danach über die Ergebnisse, eine mögliche Nachkontrolle oder eine nötige Weiterbehandlung informiert worden zu sein. Betroffen von dem Skandal sind auch Frauen mit eindeutig positivem Befund, also Brustkrebs. Laut rechtlichen Bestimmungen sollen Patientinnen innerhalb von 15 bis maximal 30 Tagen nach der Untersuchung schriftlich per Post über das Ergebnis informiert werden. »Sollte eine Überweisung an ein Krankenhaus erforderlich sein, um die Untersuchung zu vervollständigen oder eine Behandlung einzuleiten, erhält sie (die Patientin) auch diesen Termin per Post«, lautet die Vorgabe für die Brustkrebsvorsorge. Doch in einigen Fällen gab es auch zwei Jahre nach der Untersuchung keine Mitteilung.

Doch der Protest wirkt. Ende der Woche kündigte die andalusische Regierung an, dass nun rund 100 Fachkräfte angeheuert werden sollen, um die Krebsvorsorge künftig zu stärken. Ein Verein von Frauen mit Brustkrebs in Andalusien, Amama, bereitet dennoch eine Sammelklage vor. Der Verein vertritt derzeit rund 60 Betroffene und wirft den Verantwortlichen fahrlässige Körperverletzung, Verletzung der ärztlichen Sorgfaltspflicht sowie fahrlässige Tötung vor, da drei der Frauen, die nicht rechtzeitig informiert wurden, mittlerweile gestorben sind. Auch die linken Parteien Vereinigte Linke (IU) und Adelante Andalucia haben Anzeige wegen fahrlässige Tötung und unterlassener Hilfeleistung erstattet. Ebenso gab der andalusische Bürgerbeauftragte Jesús Maeztu bekannt, eine Untersuchung einleiten zu wollen, wie mehrere Medien am Donnerstag berichteten.

Andalusien wird seit 2019 von der rechtskonservativen Partei Partido Popular (PP) regiert. Die Gesundheitsversorgung gehört zu den Kompetenzen der Regionalregierung, die ähnlich wie im föderalen deutschen System organisiert ist. Der Präsident der Region, Juan Manuel Moreno Bonilla, hatte noch Anfang vergangener Woche versichert, dass im andalusischen Gesundheitssystem mit Sorgfalt gearbeitet werde. Wenn Frauen nicht informiert wurden, sei der Grund dafür gewesen, dass »man sie nicht habe beunruhigen wollen«. Für die Betroffenen wirkte das wie blanker Hohn. Amama erklärte daraufhin in einer Mitteilung, dass »der Mangel an Informationen dazu geführt hat, dass es mehr Krebsfälle, schwerere Verläufe und geringere Heilungschancen gibt, und all das aufgrund des verstrichenen Zeitraums«.

Doch was der Regierung in Andalusien auf der Straße, bei den Demonstrationen und auch vor Gericht vorgeworfen wird, ist die immer weiter voranschreitende Privatisierung und Verschlechterung des Gesundheitssystems. Rund eine Million Andalusier warten auf eine Behandlung durch einen Spezialisten in einem Krankenhaus. Im Schnitt müssen sie mehr als 100 Tage auf eine OP warten, in einigen Fällen aber auch viel länger – ein großer Unterschied beispielsweise zu Madrid, wo man derzeit rund 40 Tage warten muss. Als Moreno Bonilla vor sieben Jahren an die Macht kam, waren rund acht Prozent der Andalusier unzufrieden mit der Gesundheitsversorgung, wie Umfragen von Centra ergaben. Nun sind es doppelt so viele, rund 16 Prozent. Nach Bekanntwerden des Skandals wird diese Zahl vermutlich weiter steigen.

Im Juni 2026 stehen Regionalwahlen in Andalusien an, die traditionell als richtungsweisend für die spanische Linke gelten. Falls die rechte Regierung durch diesen oder andere Skandale zu Fall gebracht wird, wäre es für linke Kräfte noch komplizierter, sich zu einigen. Derzeit ist unklar, ob die kommunistisch geprägte IU mit Podemos zusammengehen würde. In Andalusien gibt es zudem die antikapitalistische Podemos-Abspaltung Adelante Andalucia. Doch selbst zusammen hätten sie laut Umfragen nicht viel zu sagen: Mit etwa 40 Prozent führen weiter die Rechtskonservativen, die gemeinsam mit der ultrarechten Vox auf eine stabile Mehrheit kämen.

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