Trump sieht Soja
Von Jörg Kronauer
War es das schon mit der jüngsten Drohung des US-Präsidenten, Zusatzzölle in Höhe von 100 Prozent auf sämtliche US-Importe aus China zu erheben? Wutentbrannt hatte Donald Trump diese Drohung am Freitag ausgestoßen und damit die US-Aktienmärkte so massiv einbrechen lassen wie seit April nicht mehr. Danach müssen wohl ein paar Leute mit ihm geredet haben. Am Sonntag jedenfalls schwenkte Trump vorsichtig auf Rückzug ein. Chinas Präsident Xi Jinping habe nur einen »schlechten Tag« gehabt, schrieb er auf seiner Plattform »Truth Social«; alles nicht so schlimm, »alles wird wieder gut!« Schließlich wolle er nur »China helfen, nicht verletzen!!!« Muss man verstehen, was Trump da meinte? Nein. Es reicht aus, wenn man konstatiert: Er leitet vorsichtig einen Kurswechsel ein, beharrt nicht mehr auf 100-Prozent-Zöllen und verpackt das in einem schwer nachvollziehbaren Schwall an Worten.
Mitte September hatten Washington und Beijing sich auf eine Art Waffenstillstand im Wirtschaftskrieg geeinigt. Trump und Xi hatten ihn am 19. September in einem Telefongespräch quasi besiegelt. Man kam überein, auf dieser Grundlage gemeinsam weiterzuarbeiten. Gerade einmal zehn Tage später meinte die Trump-Administration dann jedoch, sich nicht daran halten zu müssen, erweiterte die Liste der mit US-Sanktionen belegten chinesischen Konzerne um deren Tochterfirmen und fügte den wohl rund 3.000 Unternehmen auf der Liste laut Schätzung von Beobachtern mehrere tausend weitere hinzu. Das war nun allerdings nicht so recht das, was man in Beijing unter der Wahrung eines ökonomischen Waffenstillstands verstand. Und so legte die Volksrepublik ihrerseits am 9. Oktober mit neuen, recht weitreichenden Exportkontrollen seltener Erden nach. Darauf reagierte Trump am 10. Oktober und kündigte an, ab dem 1. November die erwähnten Zusatzzölle von 100 Prozent auf Importe aus China zu erheben.
Dass beide Seiten sich Mitte September auf eine Art Waffenstillstand in ihrem Wirtschaftskrieg geeinigt hatten, lag stark im Interesse der Trump-Administration. Die Kosten der Trumpschen Zölle ganz allgemein, das haben mittlerweile zahlreiche Analysen belegt, werden nur zu einem sehr geringen Teil von den ausländischen Produzenten getragen. Für den Großteil kamen bislang die US-Unternehmen auf. Das aber lässt sich, soll der Profit nicht dauerhaft niedrig bleiben, nicht lange durchhalten. Die Preise haben inzwischen anzuziehen begonnen und dürften weiter steigen, wozu das zahlende Publikum wohl nicht ewig begeistert klatschen wird. Zudem wird die Lage bei den US-Sojafarmern eng, weil China – der größte Sojaimporteur der Welt – nichts mehr bei ihnen kauft. Die Landwirte sehen sich mit Milliardenschäden konfrontiert, fürchten den Ruin und drängen Trump, ihnen endlich wieder Exporte in die Volksrepublik zu ermöglichen.
All dies lässt es der US-Regierung angeraten erscheinen, den Wirtschaftskrieg mit China in etwas ruhigere Bahnen zu leiten. Das ist der Grund, der Trump veranlasste, nicht nur ein Treffen mit Xi Ende Oktober am Rande des APEC-Gipfels anzustreben, sondern sogar eine Reise Anfang kommenden Jahres nach China anzukündigen. Für das Frühjahr hoffen manche in Washington dann auf eine Einigung mit Beijing, auf eine spürbare Senkung der Zölle und womöglich auf neue chinesische Sojakäufe in den USA. Daraus wird allerdings nichts, wenn der Präsident mal wieder dumm mit dem Zollflegel um sich drischt. Sein Finanzminister Scott Bessent schien am Wochenende die Dinge wieder in geordnete Bahnen lenken zu wollen. Das gelang ihm auch deshalb, weil Washington und Beijing zumindest in Wirtschaftsfragen mittlerweile wieder über belastbare Gesprächskanäle verfügen. »Die Beziehungen sind trotz der Ankündigung in der vergangenen Woche gut«, teilte Bessent am Montag mit: »Ich denke, ich werde mich mit meinem Amtskollegen in Verbindung setzen, und dann werden sich die beiden Anführer treffen.«
An den belastbaren Gesprächskanälen lag es wohl auch, dass Beijing am Wochenende kühl blieb. »Bei jeder Gelegenheit mit hohen Zöllen zu drohen, das ist nicht der richtige Weg, mit China umzugehen«, stellte ein Sprecher des chinesischen Handelsministeriums am Sonntag trocken fest: »Chinas Position zu den Zollkriegen war stets: Wir wollen nicht kämpfen, aber wir fürchten uns nicht davor.« Öffentlich mit identischen Gegenzöllen zu drohen – das sparte sich die chinesische Regierung. Nun werden sich, so berichten es US-Medien, Experten aus beiden Ländern am Rande der Jahrestagung von Weltbank und IWF in Washington zusammensetzen und Auswege suchen. Die Trump-Regierung wird alles daran setzen, Beijing zur Aufhebung der jüngsten Exportkontrollen zu veranlassen. »Eine Gruppe von Bürokraten in China kann uns und unseren Verbündeten nicht sagen, wie wir unsere Lieferketten zu gestalten haben«, äußerte Bessent am Montag.
Die Vereinigten Staaten sehen es als selbstverständlich an, mit ihren Exportkontrollen Feind und Freund die Lieferketten zu diktieren. China hat sich diesbezüglich zum ersten Mal auf Augenhöhe mit den USA begeben. Es wird sich wohl kaum zurückstufen lassen. Washington hat die Option, seine eigenen Exportkontrollen zu schreddern. Davon aber geht niemand aus. Der Wirtschaftskrieg geht also, selbst wenn es gelingen sollte, ihn im Frühjahr etwas einzuhegen, nur in die nächste Runde.
Wirtschaftskrieg an den Häfen
Ende vergangener Woche hat China sie beschlossen, am 14. Oktober sind sie in Kraft getreten: Hafengebühren, die Schiffe mit US-Bezug entrichten müssen, wenn sie in die Häfen der Volksrepublik einlaufen wollen. US-Bezug bedeutet in diesem Fall: Es geht um Schiffe, die sich zu mindestens 25 Prozent in US-Besitz befinden, die unter US-Flagge fahren, von den Vereinigten Staaten aus betrieben werden oder dort gebaut wurden. Damit kopiert Beijing quasi eins zu eins Maßnahmen, die Washington im Frühjahr angekündigt und gleichfalls am gestrigen Dienstag in Kraft gesetzt hat. Das Ziel der US-Maßnahme: Chinesische Reedereien sollen geschädigt, ihre Marktposition geschwächt und der Schiffbau in China möglichst zurückgedrängt werden. Zum Vergleich: Chinesische Werften stellten vergangenes Jahr mehr als 1.000 Handelsschiffe her, US-Werften nicht einmal zehn.
Branchenkreise bezweifeln, dass die Maßnahmen zu mehr führen als zu höheren Preisen. Nach Schätzung der Großbank HSBC könnten sich die Hafengebühren, die die chinesische Großreederei Cosco zahlen muss, auf 1,5 Milliarden US-Dollar summieren. Das dürfte den Profit von Cosco wohl ein wenig schmälern, allerdings auch die Preise für US-Verbraucher ein weiteres Stückchen nach oben treiben. Ob es aber den US-Schiffbau fördern wird – nun ja. Der südkoreanische Großkonzern Hanwha hatte vor kurzem mitgeteilt, zehn Öl- und Chemikalientanker für 100 Millionen US-Dollar bei einer Werft in Philadelphia bestellt zu haben. Fußnote: Hanwha hat die Werft im vergangenen Jahr gekauft, beliefert sich damit also selbst.
Umgekehrt hat die Schweizer Reederei MSC unlängst zwölf große Containerschiffe in China bestellt – trotz der US-Hafengebühren. Warum? MSC bekommt in der Volksrepublik »schnell und zu niedrigen Kosten Qualitätsschiffe«, hielt ein Experte des Washingtoner Center for Strategic and International Studies (CSIS) fest; das sei trotz sämtlicher Gebühren immer noch deutlich billiger als der Kauf teurer US-Schiffe. Es wird sich also wenig ändern, abgesehen von den Preisen – die steigen. (jk)
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Heinrich H. aus Stadum (14. Oktober 2025 um 19:54 Uhr)Stimmt, »Eine Gruppe von Bürokraten in China kann uns und unseren Verbündeten nicht sagen, wie wir unsere Lieferketten zu gestalten haben«. Wenn Herr Bessent Hufeisen gerne als Glieder von Lieferketten nutzt, wird ihm kein Bürokrat der Welt dreinreden.
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