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Aus: Ausgabe vom 14.10.2025, Seite 9 / Kapital & Arbeit
Währungsfonds und Weltbank

IWF-Jahrestagung unter Trumps Knute

Unsicherheit als die »neue Normalität«, Willkürzölle beuteln die Weltwirtschaft
Von Jörg Kronauer
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Gut ausgelastet: Der Hafen von Qingdao in der ostchinesischen Provinz Shandong

Die Drohung von US-Präsident Donald Trump, neue Willkürzölle in Höhe von 100 Prozent auf Einfuhren aus China zu erheben, überschattet die diesjährige Jahrestagung des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank. Die Tagung, zu der sich am Montag Finanzminister und Notenbankchefs aus mehr als 190 Staaten sowie Entwicklungspolitiker und Repräsentanten der Finanzindustrie in Washington eingefunden haben, hatte ursprünglich den Zweck, nach den heftigen Erschütterungen, die die Trumpschen Zölle der Weltwirtschaft zugefügt hatten, eine Zwischenbilanz zu ziehen. Ökonomisch entwickle sich die Welt zwar »schlechter als nötig«, aber doch wenigstens »besser als befürchtet«, hatte IWF-Chefin Kristalina Georgiewa vorab geurteilt und konstatiert, die Weltwirtschaft habe insgesamt »den akuten Spannungen standgehalten«. Sie bezifferte das vom IWF aktuell geschätzte globale Wachstum auf 3,0 Prozent.

Das war in der vergangenen Woche, also politisch vor einer kleinen Ewigkeit. Georgiewas Warnung, man dürfe sich nicht auf dem bislang Erreichten ausruhen, denn »Unsicherheit« sei »die neue Normalität«, könnte sich schneller als gedacht als äußerst zutreffend erweisen; die Wachstumsschätzungen, die der IWF am Dienstag offiziell präsentieren will, könnten bereits zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung veraltet sein. Denn sollte Trump seine 100-Prozent-Zölle auf Einfuhren aus der Volksrepublik tatsächlich zum 1. November in Kraft setzen, dürfte dies zu neuen globalen Erschütterungen führen; ein Wachstum von 3,0 Prozent wäre dann kaum noch erreichbar. Und dies in einer Zeit, in der ohnehin schon gravierende Probleme die Weltwirtschaft belasten, darunter die zunehmende Verschuldung oder die Umbrüche, die der rasch zunehmende Einsatz künstlicher Intelligenz (KI) mit sich bringt. Themen dieser Art hatten eigentlich im Zentrum der Jahrestagung der »Bretton Woods«-Institutionen stehen sollen. Nun verdrängt Trumps Zollkrieg sie von dort.

Wie üblich werden am Rande der Jahrestagung auch allerlei weitere bi- sowie multilaterale Zusammenkünfte erwartet. So wollen sich die Finanzminister der G7-Mitgliedstaaten treffen, um neue Maßnahmen gegen Russland zu diskutieren. Berichten zufolge will etwa die britische Finanzministerin Rachel Reeves gemeinsame Maßnahmen der EU und der G7 zur weiteren Verringerung der russischen Einnahmen aus dem Erdöl- und Erdgasverkauf starten. Über Pläne für eine etwaige Einstellung des US-Imports von Uran und Plutonium aus Russland wurde nichts bekannt; sein Wert erreichte im vergangenen Jahr mehr als eine halbe Milliarde US-Dollar. Die EU will zudem die G7 überzeugen, sich am faktischen Diebstahl des in Europa – vor allem in Belgien – eingefrorenen russischen Auslandsvermögens zu beteiligen.

Besondere Aufmerksamkeit gilt auf der Jahrestagung dem neuen Stellvertreter von IWF-Chefin Georgiewa, Dan Katz. Katz war bislang als Stabschef von US-Finanzminister Scott Bessent tätig. Bessent dringt darauf, dass der IWF sich künftig nicht mehr an Klima- und Genderfragen orientiert und einen härteren Kurs gegenüber China einschlägt. Zugleich verlangt die Trump-Administration eine bevorzugte Behandlung ihrer Parteigänger, was in diesen Tagen an den Verhandlungen über den IWF-Kredit für Argentinien unter Präsident Javier Milei, einem eingefleischten Trump-Fan, zu beobachten ist. Der Währungsfonds sei dabei, noch stärker auf US-Kurs getrimmt zu werden, ließ sich Martin Mühleisen, ein einstiger Strategiechef des IWF, von Reuters zitieren. Es werde sich zeigen, ob er zu einem reinen »Anhängsel« des US-Finanzministeriums degeneriere. Schlimmer, man weiß das längst, geht immer.

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